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Altermedia: Nazi-Propaganda aus der Gruft

 

Der mutmaßliche Betreiber von Altermedia Axel M. auf einem Naziaufmarsch © AIB

Die Staatsanwaltschaft Rostock bereitet den Prozess gegen die mutmaßlichen Betreiber der Internet-Seite Altermedia vor – doch noch ist kein Termin dafür in Sicht. Der zuständige Staatsanwalt will Anklage erheben, wenn eine Berufung vor dem Landgericht Stralsund entschieden ist. Ein Termin für die Verhandlung steht nach Informationen von NPD-BLOG.INFO aber noch nicht fest. Axel M. war als redaktionell Verantwortlicher für die Neonazi-Seite vom Amtsgericht Stralsund verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, M. hat Berufung eingelegt. Ob er damit allerdings Erfolg haben kann, erscheint zumindest fraglich.

Ein Gast-Artikel von NPD-BLOG.INFO

Denn in der Urteilsbegründung heißt es immerhin, “sämtliche Artikel (auf den Internetplattformen stoertebeker.net und altermedia.info) [wurden] über den Rechner des Angeklagten M. mit seiner IP-Nummer veröffentlicht und bearbeitet”, sodass dieser die Artikel selbst veröffentlicht haben müsse, er zumindest aber die redaktionelle Verantwortung getragen habe. Die Erkenntnisse stammen aus dem Ergebnis einer Überwachung des Telekommunikationsverkehrs beim Angeklagten.

M. versuchte vor Gericht daher, die Verantwortung auf eine Person zu schieben, die gegen Anschuldigungen nicht  widerspricht; allerdings wertete das Gericht die Einlassung des Angeklagten, der im Jahre 2008 verstorbene “Kurt Sxxxxxxx” habe die beanstandeten Artikel ins Netz gestellt, als unwahre Schutzbehauptung. Es sei “unglaubhaft, dass Sxxxxxxx ohne Kenntnis des Angeklagte über einen langen Zeitraum hinweg (von Juni 2004 bis September 2007) ungehindert Zugang zum dessen Rechner gehabt haben soll, um Artikel zu veröffentlichen und zu bearbeiten”, so das Gericht.

Möchte man der Behauptung M.s dennoch folgen, wäre allerdings weiterhin unklar, wer seit 2008 die Seite betreut. Möglicherweise taucht der angeblich Verantwortliche mittlerweile als Untoter in der Wohnung von M. auf – zu den sonstigen politischen Wahnvorstellungen der Neonazis sowie der Ideologie aus der Gruft würde es glänzend passen.

Offenes Geheimnis

Der Urteilsbegründung zufolge ist also seit mehreren Jahren genau bekannt, wer für die Beleidigungen, Drohungen oder Urheberrechtsverletzungen auf Altermedia verantwortlich ist.  Auch öffentlich ist nachzulesen, wer hinter der Seite steht. So hieß es in einer VS-Broschüre aus dem Jahr 2000:

Die veröffentlichten Artikel werden offenbar im wesentlichen von Axel MXXXXX verfasst, einem ehemaligen NPD Funktionär aus Stralsund, der bis zu seinem Parteiaustritt immer wieder (öffentlich) in Erscheinung trat. Das Störtebeker-Netz sei, so hier vorliegende Erkenntnisse, ein „voller Erfolg“; mittlerweile würden täglich mehrere hundert Personen den Zugang dazu suchen.Veröffentlichte Zugriffsstatistiken lassen den Schluss zu, dass die Informationen des Störtebeker-Netzes weltweit Anklang finden.In der Ausgabe 01-02/2000 des „NS-KAMPFRUF”, Organ der NSDAP/ AO („…Auslands- und Aufbauorganisation“), wird jedenfalls auf die Internetpräsenz des „Störtebeker-Netzes” hingewiesen.

Entsprechende Informationen lagen auch dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz vor. In einem dort verfertigten Bericht über Positionen der rechtsextremistischen Szene in Deutschland gegenüber den Terroranschlägen vom 11. September 2001 hieß es:

„Bereits am 15. September hatte der mit der NPD sympathisierende Betreiber der rechtsextremistischen Internet-Homepage ‚Störtebeker-Netz’ Axel MXXXXX in Stralsund öffentlich eine Nationalfahne der USA verbrannt.“

Die Staatanwaltschaft in Rostock will nun allerdings nicht nur M., der sich auch gegenüber einem Journalisten als Verantwortlicher zu erkennen gab, für die Hetz-Orgien zur Verantwortung ziehen, sondern auch Robert R. anklagen, der als zweiter Verantwortlicher für die Neonazi-Seite gilt – und dies ebenfalls seit vielen Jahren. Allerdings tauchte R. im Gegensatz zu M. in den Berichten des Verfassungsschutzes nie namentlich auf. Im Jahr 2005 deutete der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern immerhin auf R. hin:

Der in jüngster Zeit mehrheitlich der NPD beigetretenen Kameradschaft Stralsund bzw. dem überwiegend identischen „Freundeskreis avanti“ um einen bekannten Neonazi der Hansestadt, von dem auch die neonazistische Schülerzeitung „avanti“ herausgegeben wird, werden ungefähr 10 Personen zugerechnet, darunter auch der mutmaßliche Betreiber des rechtsextremistischen „Störtebekernetzes“. Die Zeitschrift „avanti“ wird in Zusammenarbeit mit der NPD vorwiegend im Umfeld von Schulen verteilt und war schon Gegenstand strafrechtlicher Verfolgung (Verunglimpfung des Andenkens der Anne Frank). Derartige Propagandaaktionen fanden in Stralsund, Abtshagen, Franzburg, Reinkenhagen und Grimmen statt.

Auch später war die Verunglimpfung des Andenkens des ermordeten jüdischen Mädchens übrigens noch mehrere Male beliebtes Thema auf Altermedia. Das hätte möglicherweise nicht passieren müssen. Denn bereits im Jahr 2002 brüstete sich R. öffentlich mit dem Störtebeker-Netz:

Die letztjährige Shell-Jugendstudie stützte ihre repräsentativen Ergebnisse auf die Befragung von 2515 Jugendlichen im Alter von 12 bis 25 Jahren. […] Dass sich unter den Porträtierten ausgerechnet ein organisierter Neonazi befindet, deutet zunächst auf die Authentizität zur aktuellen gesellschaftlichen Situation innerhalb der Jugendkulturen hin. Robert R., 21 Jahre, engagiert sich für “eine nationale Wende, unter anderem im Störtebeker-Netz”, heißt es auf S. 332 der Studie lapidar. Unter der Überschrift “Wenn man eine Überzeugung hat, ist das die Hauptsache”, entspinnt sich auf etwa zehn weiteren Seiten das gefährliche Weltbild des Rechtsextremisten. Es soll sich dabei um Robert Rxxxxxxx aus Stralsund handeln. Völlig unkommentiert darf der wegen Körperverletzung vorbestrafte Neonazi sein “ideales politisches System” feiern: das des Dritten Reiches. In der einleitenden Zusammenfassung der Studie heißt es: “Seine heutigen politischen Aktivitäten sind das Schreiben für die Internet-Zeitschrift ‘Störtebeker-Netz’ und die Briefpartnerschaften der HNG. Weiterhin ist davon auszugehen, dass er Demonstrationen und andere Aktionen organisiert.” Die Studie warnt in ihrer Einleitung weder vor den verfassungsfeindlichen Bestrebungen der HNG als größte Neonazi-Organisation Deutschlands, noch vor den rassistischen Parolen und Aufrufen im “Störtebeker-Netz”. Im Gegenteil, dann kommt Neonazi Robert R. direkt zu Wort: “Im Prinzip ist das Störtebeker-Netz die einzige politische Aktivität, die wirklich Sinn macht. (…) Außerdem bin ich in der ‘Hilfsgemeinschaft nationaler Gefangener’ (HNG). Die haben mich während meiner Haftzeit damals betreut, also mach ich das auch. (…) Demokratie ist nun mal ziemlich schwer. Ich bevorzuge im Prinzip auch eine Staatsform, wie wir sie im Dritten Reich hatten. Da gab es große Staatsmänner, die waren nicht korrupt, die haben die deutsche Volksgemeinschaft zusammengeschweißt. (…) Die zwölf Jahre des Nationalsozialismus waren aus meiner Sicht die beste Zeit, die es in Deutschland je gegeben hat”. (Quelle: blick nach rechts vom Mai 2003)

Auch die Universität Greifswald schreibt in einer Studie zu der Arbeit der NPD in den kommunalen Parlamenten in Bezug auf Stralsund, M. sei Betreiber der Neonazi-Seite – und arbeite eng mit Robert R. zusammen. Beide waren vorübergehend in der NPD aktiv, M. ist schon länger ausgetreten – nach einer Spitzelaffäre um einen örtlichen Parteifunktionär. R. soll nun aber auch kein Mitglied mehr sein.

Die Macher der Studie schreiben weiter, M. sei bereits einmal verurteilt worden – und sie weisen auch auf die Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung hin:

Im August 2002 musste sich Mxxxxx, der im Übrigen sehr darauf achtet, dass seine Formulierungen noch in der Grauzone des rechtlich nicht Belangbaren angesiedelt sind, trotzdem vor Gericht verantworten. Er hatte im Internet und auf einem Flugblatt die Existenz der Gaskammer im Konzentrationslager Ravensbrück öffentlich geleugnet, die dort Ermordeten verunglimpft sowie Mitarbeiter der Gedenkstätte Ravensbrück beleidigt. Das Gericht verurteilte ihn daraufhin zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Aktuell ist einmal mehr Innenminister Lozenz Caffier Zielscheibe der braunen Hetzer. Bereits 2007 war der CDU-Politiker gegen Altermedia vorgegangen; das Landgericht Berlin (!) erließ in dieser Sache eine Einstweilige Verfügung der CDU-Fraktion MVP gegen M., welche dieser aber offenbar einfach ignorierte. Nun prüft der Innenminister “alle rechtlichen Möglichkeiten”, wie es auf Anfrage des Autor aus dem Ministerium heißt. Weitere Auskünfte zu Altermedia lehnte eine Sprecherin allerdings ab.  Die Hetze auf Altermedia geht derweil weiter.

Siehe auch: Prozess gegen Altermedia noch in diesem Jahr?, Ermittlungen gegen zweiten Altermedia-Verantwortlichen, Rechtsextreme sorgen sich um Altermedia