Was für eine Meldung: Geert Wilders kommt nach Berlin. Just einen Tag vor den diesjährigen Einheitsfeierlichkeiten. Was wird er sagen? Wo wird er sprechen? Am Ende war dann doch alles unspektakulärer als gedacht. Ein kleiner Rückblick.
Während meine Grünen Parteifreundin Clara Herrmann, ihres Zeichens Mitglied des Abgeordnetenhauses und emsige Aktivistin im Kampf gegen Rechtsextremismus, auf dem Weg zur Gegenkundgebung mehrmals gebeten wurde sich auszuweisen, konnte ich, meines Zeichens junger Deutscher mit Migrationshintergrund – und an jenem Tag gefährlich unrasiert – ohne Schwierigkeiten vom U-Bahnhof Nollendorfplatz zum Veranstaltungsort spazieren. Als ich dort gegen 12 Uhr ankam, hatten Dirk Stegemann und das Bündnis „Rechtspopulismus stoppen“ – besonderer Dank gilt an dieser Stelle der Gewerkschaft Verdi – Lautsprecherwagen und Transparente in Stellung gebracht. Nicht ohne Probleme. Innensenator und Polizei gaben sich redlich Mühe Auftrittsort und Anfangszeit der Wilders’schen Inszenierung geheim zuhalten. Erfolglos.
Rund 300 Demonstranten fanden sich denn auch ab 12 Uhr zusammen, um vor dem Hotel „Berlin, Berlin“ am Lützowplatz ein lautstarkes Zeichen zu setzen. Gegen die extrem rechte Partei „Die Freiheit“ und gegen Geert Wilders. Dieser sollte an diesem Tag in den Niederlanden in Regierungsverantwortung gehoben werden. Die Gruppe der Gegendemonstranten war bunt gemischt. Zumindest bunter als die hauptsächlich grauen, alten Männer, die sich langsam im Hotel einfanden. Eine niederländische Demonstrantin aus Venlo, der Heimatstadt des Rechtspopulisten Geert Wilders, konnte es kaum fassen, dass im toleranten und weltoffenen Berlin eine solche Veranstaltung mitten im Zentrum zustande kommen konnte. Es war schon bemerkenswert, wie viele Niederländer und Berliner mit niederländischem Hintergrund bei der Kundgebung zu gegen waren. Einerseits zeigt dies europäische Solidarität, andererseits, dass man sich mit dem von Wilders vermittelten Bild der Niederlande nicht abfinden möchte. Das Hotel „Berlin, Berlin“ darf sich angesichts der Tatsache, dass es von diplomatischen Vertretungen und internationalen Organisationen gerne gebucht wird, fragen lassen: Warum hier? Sichtlich verwundert nahmen denn auch ausländische Gäste das politische Theater in und unmittelbar vor dem Hotel zur Kenntnis.
Gegen 14 Uhr zeigte sich René Stadtkewitz vor dem Hotel. Fest entschlossen mit den Protestierern auf der gegenüberliegenden Straßenseite den Dialog zu suchen. Das lassen zumindest die Aufnahmen von Spiegel Online erahnen. Der Empfang für den Ex-CDU-Politiker fiel jedoch freundlich gesagt distanziert aus. Mit Trillerpfeifen und Trommeln, Plakaten und Sprechchören, einige sogar auf niederländisch, machten die Berlinerinnen und Berliner ihrem Unmut über dieses rassistische Spektakel Luft. „Wir sind Freiheit was seid ihr?“ schallte es entschlossen über die Straße. Stadtkewitz‘ Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Er flüchtete sich zurück in die Hotel-Lobby. Drinnen wurden indes die Gäste durch den „Politically Incorrect“ Gründer Stefan Herre begrüßt. Der Sportlehrer aus Bergisch Gladbach gab sich betont bürgerlich in Anzug und Krawatte. Ein bisweilen durchschaubarer Versuch, mangelnde politische Seriosität durch Wahl der entsprechenden Kleider zu kaschieren.
Geert Wilders spulte anschließend in 52 Minuten das bekannte Portfolio islamfeindlicher und kulturrassistischer Propaganda ab. Ohne dabei mit gut gemeinten Ratschlägen an die deutsche Politik zu geizen. Islamisierung, Verlust nationaler Identität, Migrantengewalt. Argumente, die von amerikanischen Rassisten wie Robert Spencer bis hin zu Berlinern wie René Stadtkewitz, immer dieselben sind. Der Islam wird abwechselnd mal mit Nationalsozialismus, mal mit Kommunismus gleichgesetzt. Getreu dem Motto: „Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst des Islam.“. Historische Einordnungen oder gar nachvollziehbare Argumente? Fehlanzeige. Hauptsache die Message stimmt: „Der Islam ist gefährlich und totalitär“. Begründen müssen Rechtspopulisten wie Wilders ihrer Anhängerschaft ohnehin nichts. „Deutschland ist das Land der Deutschen“. So einfach kann es manchmal sein.
Vor dem Hotel ist die Stimmung bis zum Ende der Kundgebung friedlich und gut. Neben Clara Herrmann, die auf die europäische Dimension des Rechtspopulismus eingeht und den „perfiden politischen Wettlauf am rechten Rand“ geißelt, spricht auch die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sevim Degdelem. Sie betont, dass es vor allem sozialpolitische Herausforderungen sind, denen sich die Politik zu stellen habe. Ethnisierung und Diskriminierung würden mehr Probleme schaffen als lösen. Und drinnen? Dort philosophiert man zum Ende der Veranstaltung lieber über das „deutsche Schuldtuch“ und die Frage, ob man als „mittelalte Frau im Minirock“ noch unbehelligt durch Berlin laufen darf. Verzerrte Wahrnehmung eint denn auch Redner und Zuhörer. Bis zum nächsten Mal wenn es heißt: „Die Freiheit“ ruft, die Rassisten kommen.