Am Sonntag wird in Mecklenburg-Vorpommern ein neuer Landtag gewählt. Die NPD hat sich in den Umfragewerten von 4 auf bis zu 5 Prozent verbessert. Erfahrungsgemäß schneiden sie bei den Wahlen aber besser ab als zuvor prognostiziert. Die NPD wird also aller Voraussicht nach erneut im Schweriner Schloss platznehmen dürfen. Dieser Wiedereinzug ist finanziell für die Landes und die Bundes-NPD enorm wichtig. Er stärkt aber auch die innerparteiliche Rolle des Spitzenkandidaten Udo Pastörs.
Ein Gastbeitrag von Benjamin Mayer und Johannes Melchert vom Göttinger Instituts für Demokratieforschung
„Volle Kraft voraus!“, prangte es im August auf der ersten Seite der Deutschen Stimme, der Parteizeitung der NPD. Daneben inszenierte man Udo Pastörs, den Fraktionsvorsitzenden der NPD in Mecklenburg-Vorpommern, als Steuermann, der zielsicher die NPD durch einen Widereinzug im Parlament halten soll. Und so ist auch der gesamte Wahlkampf rund um Pastörs gestrickt. Nicht nur das Bild des Steuermanns Pastörs taucht immer wieder auf, auch die Aggressivität der Wahlplakate spiegelt die Haltung des Spitzenkandidaten wider. Und so ließ Pastörs auch im Deutsche Stimme-Interview keinen Zweifel daran, dass er kein Vertreter eines bürgerlichen Kurses der NPD ist. Auf die Frage der Probleme der eigenen Partei angesprochen, entgegnete er: „Ich rede hier keiner ‚Verbürgerlichung‘ der NPD das Wort, bin aber der Meinung, dass über den gesamten Bereich der Außendarstellung immer wieder nachgedacht werden muss.“
Die NPD setzt alles daran, am 4. September den Sprung über die -Pozent-Hürde zu schaffen und führt einen Breitenwahlkampf. „Die NPD in Mecklenburg-Vorpommern hat in den letzten Jahren sehr solide gewirtschaftet“, behauptet der NPD-Landesvorsitzende Stefan Köster in einem Interview mit der Parteizeitung. Es wurden mehr als zwei Millionen Drucksachen verteilt und Plakate gehängt, so dass die meisten Haushalte im Bundesland mehrere Male Informationsmaterial von der NPD erhielten und niemand um Plakate wie „kriminelle Ausländer raus“ oder „Sei kein Frosch – wähle deutsch“ herumkam. Das Budget lag bei rund 200 000 Euro. Dies ist mehr als ein Drittel weniger im Vergleich zu 2006. Ob es an der katastrophalen finanziellen Situation der Bundespartei oder an innerparteilichen Auseinandersetzungen liegt, bleibt offen.
Ihre Landtagsfraktionen sind für die NPD überlebenswichtig und haben für die Partei aus zahlreichen Gründen eine enorme Bedeutung. Die Fraktionen sind nicht nur für die Landesverbände selbst finanzielle Quelle sondern auch unersetzlich für die Bundespartei. So kann mit den finanziellen Mitteln die weitere Verankerung vor Ort voran getrieben werden, was die NPD sowohl in Sachsen, wie auch in Mecklenburg-Vorpommern in erheblichem Umfang versucht hat. Die Kinderfeste sowie die Harzt-IV-Beratungen sind nur zwei Beispiele einer ganzen Reihe von Angeboten für die Bevölkerung. Dies trägt zur lokalen Verankerung bei und schafft vor allem einen Normalisierungseffekt, der die NPD lokal als bürgerliche „Kümmererpartei“ erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass die Fraktionen in den letzten Jahren als Ausbildungsstätte verschiedener Nachwuchskader dienten, die als wissenschaftliche Mitarbeiter oder Praktikanten in den Landtagen geschult wurden, um so auch in anderen Bundesländern eine professionalisierte Arbeit zu ermöglichen. So können in den Fraktionen ausgebildete Kader zu weiteren Schulungen im gesamten Bundesgebiet eingesetzt werden und sorgen so für eine zunehmende Professionalisierung der gesamten Partei.
Neben dieser Ausbildung werden so aber auch verdiente NPD-Kader mit gut bezahlten Stellen versorgt oder Personal aus der neonazistischen Kameradschaftsszene für ihre Wahlkampfhilfen belohnt. Besonders der NPD-Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern ist mit einer ganzen Zahl neonazistischer Kameradschaftskader durchzogen. Den Grund für die gute Zusammenarbeit machte Udo Pastörs deutlich: „Ich glaube, das Erfolgsrezept ist der weltanschaulich fundierte gemeinsame Wille, zu positiven Veränderungen zu kommen. […]. Das gemeinsam angesteuerte oberste Ziel, den biologischen Erhalt unseres Volkes sicherzustellen und hierfür die politischen Voraussetzungen herbeizuführen, ist der Motor und das Erfolgsrezept der Zusammenarbeit […].“ Neben dieser pathetischen Beschreibung ist der zweite Grund – den Pastörs allerdings nicht nennt – die einfache Formel: ihr habt die Manpower und die Strukturen in Vorpommern, wir haben das Geld und die Strukturhilfen aus Schwerin. Die NPD ist also auf die Hilfe der Kameradschaften angewiesen.
Die Zusammenarbeit zwischen NPD und Kameradschaften ist in MV voll aufgegangen. Einen jungen Handwerker wie Tino Müller aus einer strukturschwachen Region wie dem Uecker-Randow-Kreis zum Abgeordneten zu machen, hat die lokale Verankerung weiter gestärkt, das beweisen nicht zuletzt die Wahlergebnisse seines Heimatortes. Mit seiner landespolitischen Erfahrung unterstützt Tino Müller nun auch die kommunalpolitische Arbeit seines Bruders Marko Müller. Der ehemalige Kameradschafter Tino Müller steht als Stellvertreter für ein gutes Miteinander von NPD und neonazistischen Kameradschaften vor allem in Vorpommern. Ein verpasster Widereinzug könnte die Kräfteverhältnisse der beiden Gruppen jedoch deutlich verändern.
Der Widereinzug ist auch für die innerparteiliche Machtpolitik von erheblicher Bedeutung. So zeigte sich auf dem Parteitag der NPD in Bamberg 2010 deutlich, dass die Sächsische Fraktion um Holger Apfel aktuell die Hegemonie in der Partei innehat und damit auch den strategischen Weg der Gesamtpartei maßgeblich mitbestimmen kann. Die NPD-Kader aus MV zeigten dabei immer wieder, dass sie keinesfalls mit der Ausrichtung, welche durch weite Teile des Parteivorstands und die Sächsische Fraktion vertreten wird, einverstanden sind. So brachten sie beispielsweise einen eigenen Programmentwurf ein, der als Konkurrenzentwurf zum Papier des Parteivorstandes zu sehen ist und blockierten den vorgeschlagenen Namenszusatz „Die soziale Heimatpartei“. Auch am Rande des Wahlkampfes zeigten sich die Konfliktlinien innerhalb der NPD. So sagte Peter Marx, Mitarbeiter der Fraktion im Schweriner Schloss, gegenüber der TAZ: „Gehen sie davon aus, dass Udo Voigt nicht allein für den Bundesvorsitz kandidiert. Meine Stimme bekommt er nicht.“ Beobachter der Szene gehen davon aus, dass Holger Apfel als Gegenkandidat auf dem Bundesparteitag der NPD, welcher noch dieses Jahr stattfinden soll, aufgestellt wird.
Ein Wiedereinzug ins Schweriner Schloss würde der Partei finanziell enorm helfen, der innerparteiliche Streit könnte hingegen weiter zunehmen. Der kommende Sonntag ist für die NPD in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen und für die Bundes-NPD so oder so von weitreichender Bedeutung. Sicher ist, es geht volle Kraft voraus – ob in den finanziellen Ruin oder in parteipolitische Machtkämpfe wird sich am Sonntag ab 18h zeigen.