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„Wenn sich andere bei uns breit machen, muss man ihnen unter Umständen unter Anwendung von Gewalt zeigen, wer Herr im Hause ist.“

 

„Krasse Sache“, dachte ich mir, als ich in den Tagesthemen die Ergebnisse der Langzeitstudie „Deutsche Zustände“ der Uni Bielefeld sah. Oben stehender Aussage würden übrigens nicht nur NPD Mitglieder, Besucher des „Happy Holocaust“-Grills in Jamel oder ein paar andere Neonazis zustimmen, nein. 19% der Deutschen würden mit dieser Aussage übereinstimmen.

Und das ist nicht die einzige schockierende Zahl, die jetzt öffentlich gemacht wurde. „Die Gesellschaft fällt eigentlich immer mehr auseinander“: 74% Zuspruch. „Deutschland wird in einem gefährlichen Maß überfremdet“: 50% Zuspruch! Und damit steht Deutschland im internationalen Vergleich sogar noch relativ „gut“ da.

Oft hat man ja gerade in den letzten Tagen entsetzte Aussagen wie „Nein. Also, dass das in Deutschland passieren konnte, hätte ich nicht für möglich gehalten“ gehört. Die jetzt veröffentlichten Zahlen zeugen aber irgendwie von einem anderen, dunklen Bild.

Schon lange wollte ich hier mal etwas Alltägliches zum Thema schreiben. Nicht immer nur die richtig harten Nazi-Geschichten, die zwar jeden, so sollte man zumindest meinen, entsetzen, aber die einem so nah vielleicht doch nicht gehen, weil der tagtägliche Nazikontakt einfach nicht vorhanden ist. Schließlich ist die rechte Szene für den ein oder anderen „Normalo“ in ihrer Größe und Abartigkeit nicht zu fassen.

Doch was heißt hier eigentlich „Normalo“? Ist es normal und erlaubt Aussagen zu treffen, die nur aufs Ausländerdasein abzielen und die deren vermeintliches „Anderssein“ ankreiden? In den letzten Tagen habe ich mal meine Ohren besonders für solche Aussagen sensibilisiert und bin wirklich erstaunt gewesen, wie oft einem „Normalo“ solche Bemerkungen über die Lippen kommen.

Gerade heute fielen in der Uni besonders viele solcher Sprüche. Ich studiere Medizin und es ging darum, dass Menschen aus dem Mittelmeerraum häufig an einer Erkrankung des Blutes, einer sogenannten Thalassämie, leiden. Bei der Behandlung, besonders in der Schwangerschaft, kann dies schon mal übersehen werden und als Eisenmangel diagnostiziert und folglich therapiert werden, wurde von einer Dozentin erzählt, als neben mir eine meiner Kommilitoninnen sagte: „Bah, Türken will ich sowieso nie behandeln.“

Nur einige Stunden vorher war eine ähnliche Situation passiert. Diesmal ging es darum, dass asiatische Männer im Vergleich zu Deutschen ein erheblich geringeres Risiko dafür haben ein Gen weiterzugeben, das für die Ausbildung einer Mukoviszidose von großer Bedeutung ist. Auch hier lief das ganze wieder ähnlich ab. Ein Student meinte zu einer Studentin: „Siehste, wenn du nicht willst, dass dein Kind das bekommt, heirate ‘nen Chinesen.“ „Hm, ne“, meinte daraufhin die andere „ich will bloß kein Schlitzauge als Mann.“

Die Frage ist hier natürlich wie ernst diese Aussagen gemeint waren oder ob das nur gesagt wurde, um kurzzeitig für einen Lacher zu sorgen. Dennoch finde ich es alarmierend, dass solche Situationen ganz sicher keine Einzelfälle sind.
Und gerade wenn ich von Personen wie Krankenschwestern oder Polizisten Aussagen wie „Ich hasse Türken!“ oder „In diese Türkenläden gehe ich nicht, da stinkts!“ höre, schaudert es mir, denn gerade von diesen doch eigentlich als hoch angesehenen Berufsgruppen hätte ich mir gewünscht auf ein bisschen mehr Toleranz zu stoßen.

Stehen aber solche noch vermeintlich sanften rassistischen Aussagen in irgendeinem Bezug zu den jetzt aufgedeckten rechten Terrorakten oder hat das eine mit dem anderen nichts zu tun? Ganz sicher weiß das bestimmt niemand, aber das macht die Sache immer noch nicht richtig.

Die Aussagen und Einstellungen könnten von den Rechtsterroristen als vermeintliche Legitimation für ihr brutales und schreckliches Handeln angesehen werden. Einstellungsmuster wie diese spielen doch genau denen in die Hände, die das ganze ernst meinen. Ich könnte mir vorstellen, dass sich Neonazis in ihrer Meinung vollkommen bestätigt fühlten, wenn in ihrem Umfeld jemand, der augenscheinlich nicht aus der rechten Szene kommt, solche Äußerungen von sich gibt.

Ich habe mir fest vorgenommen mich selbst immer wieder für solche Aussagen aufmerksamer zu machen und sollte es zu bunt werden, den Urheber solcher Bemerkungen mal zu fragen, was er sich dabei denkt.