Am Mittwoch, dem 18. Juli, entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die finanziellen Leistungen für Asylbewerber „evident unzureichend“ sind und verlangt eine deutliche Erhöhung. In vielen Orten in Deutschland demonstrieren derzeit immer noch viele Asylsuchende für ihre Rechte: Geld war nie Kern des Protestes.
Vor zwanzig Jahren brannten in Rostock Lichtenhagen die „Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber“ und die Unterkunft vietnamesischer Vertragsarbeiter. Im selben Jahr wurde in Deutschland mit den Stimmen der Sozialdemokraten der sogenannte Asylkompromiss beschlossen, der zu einer erheblichen Einschränkung des Rechtes auf Asyl in der Bundesrepublik führte. Im gleichen Zuge kam es auch zur Neuregelung der Sozialleistungen für Asylbewerber, welche weder nachvollziehbar berechnet worden noch am Bedarf der Menschen orientiert waren, wie das Bundesverfassungsgericht (BVG) nun feststellte. Trotz einer Steigerung der Lebenserhaltungskosten um über 30% wurden die Leistungen für Asylbewerber seit 1993 nicht erhöht und seien damit mit dem „Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums […] unvereinbar“, urteilten die Richter des BVG. Dieses Recht stehe deutschen Staatsangehörigen genauso zu wie ausländischen Staatsangehörigen, wenn diese sich in der Bunderepublik aufhalten. Neben der „physischen Existenz des Menschen“ gehe es auch um die „Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“, so die Richter weiter.
Eben für diese Teilhabe streiten Asylsuchende und Organisationen in Deutschland seit vielen Jahren. Die Erhöhung der Leistungen für Asylbewerber ist hierbei nur ein Teil der rechtlichen Rahmenbedingungen, die Flüchtlingen eine gesellschaftliche Teilhabe quasi verwehren. Es ging bei den Protesten nie um die bloße Aufstockung von monetären Leistungen sondern um ein menschenwürdiges Leben nach Flucht und Vertreibung.
„Wir haben nicht erwartet so behandelt zu werden – ohne Respekt und Würde.“
In vielen deutschen Städten protestieren derzeit Asylbewerber für mehr Rechte und eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen auch jenseits der finanziellen Leistungen. Auch in Bamberg demonstrieren drei iranische Flüchtlinge mit einem Protestcamp im Zentrum der Stadt gegen ihre derzeitige Lebenssituation. Askan Delanavar, Siamak Wosoughi und Hadi Ghaeni campen seit Anfang Juli auf dem Markusplatz der Stadt, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Alle drei wurden in ihrer Heimat verfolgt, weil sie sich politisch engagierten und für Bürgerrechte einsetzten. Alle drei wurden massiv bedroht und eingeschüchtert: Ashkan Delanavar und Hadi Ghaeni wurden von den iranischen Sicherheitsbehörden verhaftet und unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftiert. Um weiteren Repressionsmaßnahmen zu entgehen, flohen die drei Männer auf verschiedenen Wegen und erreichten vor etwa einem Jahr Deutschland. Wie tausende anderer Asylsuchender waren die ehemaligen Studenten in einer abgelegenen Flüchtlingsunterkunft zum Nichtstun verdammt, da ihnen in Deutschland Studium und Arbeit nicht möglich sind. Durch die sogenannte Residenzpflicht können sich Asylbewerber in Deutschland außerdem nur in einem von den Behörden festgelegten Bereich bewegen, was die Menschen in ihrem Handeln erheblich einschränkt. Da die Asylverfahren für die Flüchtlinge kaum nachzuvollziehen sind, leben die Menschen unter ständiger Unsicherheit. Diese Verfahren können sich teils über Jahre ziehen und bedeuten nicht zuletzt auch eine permanente psychische Belastung für die Wartenden. Siamak Wosoughi geht es bei seiner Protestaktion nicht nur um seine Geschichte. „Ich protestiere nicht nur wegen der Bedingungen von Flüchtlingen in Roßbach sondern in ganz Bayern. Ich hoffe, wir können den Menschen zeigen, wie unser Leben aussieht und wie wir uns fühlen.“, sagt er.
Am Montag wurden Askan Delanavar, Siamak Wosoughi und Hadi Ghaeni in ihrem Protest von rund 250 Bambergern unterstützt, die sich für eine Verbesserung der Lebenssituation einsetzen und durch eine Demonstration ihre Unterstützung zeigen wollten. „Asyl ist ein hohes Gut einer demokratischen Gesellschaft und darf nicht durch eine Lagerpraxis konterkariert werden, die zum Ziel hat Flüchtlinge, durch menschenunwürdige Bedingungen zur Rückkehr in ihre Herkunftsländer zu bewegen“, sagt Pola Hahlweg, die den Protest der Asylbewerber in Bamberg unterstützt. Stellvertretend für die drei Protestierenden sprach Hadi Ghaeni auf der Demonstration: „Wir mussten aus dem Iran fliehen, um unsere Leben zu retten. Wir mussten unsere Familien zurück lassen und verloren alles.“ Nach der Ankunft in Deutschland seien sie ohne „Respekt und Würde“ behandelt wurden, sagte Ghaeni weiter.
Anschlussfähig für Rechtsextreme
Vor allem Anfang der 1990er Jahre zeigte sich, wie anschlussfähig auch die Berichterstattung deutscher Leitmedien wie des Spiegels für rechtsextreme Propaganda waren. Mit einer „das Boot ist voll“-Metaphorik und dem Schüren der Angst vor einem „Ansturm der Armen“ beteiligten sich zahlreiche deutsche Medien in unrühmlicher Weise an der Stimmungsmache der ohnehin nationalistisch aufgeladenen ersten Phase der 1990er Jahre. Diese Debatten boten schon damals Anschluss auch für rechtsextreme Propaganda. Bis heute versucht beispielsweise die NPD Anschluss an eben jene Art von Debatten zu finden. So fordert die NPD „Einklagbares Recht auf Asyl abschaffen“ und verbindet dies immer wieder mit dem Verweis auf Arbeitslosenzahlen in Deutschland, um so über Verlustängste eine rassistische Stimmung zu schüren. Hier gilt es kritisch zu hinterfragen, wie Debatten in Deutschland geführt werden und warum sie eben immer wieder auch Anschluss für rechtsextreme Propaganda bieten.