Immer wieder wird der Polizei bei Demonstrationen ein gewalttätiges Verhalten vorgeworfen. So auch bei den Flüchtlingsprotesten am Brandenburger Tor Ende letzten Jahres. Der Pressesprecher der Berliner Polizei, Stefan Redlich, spricht über die Verhältnismäßigkeit der Einsätze gegen Flüchtlingsaktivisten, Methoden der Polizei und die Strafanzeigen gegen die Polizisten.
Störungsmelder: Wie bewerten Sie die Einsätze der Polizei Ende letzten Jahres im Flüchtlingscamp am Brandenburger Tor?
Redlich: Die Auflagen für die Versammlung kamen von uns als Polizei, das Errichten von Zelten hatte der Bezirk untersagt. Also mussten wir als Polizei dafür sorgen, dass das Versammlungsrecht eingehalten wird. Ihre Meinung durften die Demonstranten sagen, Schlafstätten und Schlaf-Utensilien waren aber verboten. Das Problem war nur, dass einige Kollegen den Demonstranten auch Wärmflaschen weggenommen haben – das stand nicht in den Auflagen. Das Gericht hat daraufhin entschieden, dass das rechtswidrig war. Danach hat die Polizei das auch unterlassen. Regenschirme durfte natürlich jeder mitbringen, aber es durfte daraus kein Zelt gebaut werden. Viele blaue Säcke, Regenschirme und Schlaf-Utensilien haben meine Kollegen immer wieder geräumt und eingelagert, wenn sie herrenlos waren – das wurde von den Demonstranten oft kritisiert. Aber wenn sich niemand zu den Gegenständen, die da herum lagen, bekannte, mussten wir sie eben mitnehmen. Dass manche Einsatzleiter bestimmte Gegenstände zugelassen und andere diese verboten haben, war natürlich nicht glücklich. Es hätte eine Linie geben müssen.
Störungsmelder: Kritisiert wurde von den Aktivisten, dass die Polizei ständig persönliche Dinge weggenommen hat und immer sehr viele Polizisten vor Ort waren. Was sagen Sie dazu?
Redlich: Wir machen vor solchen Einsätzen eine Gefährdungsbewertung der Demonstration und haben in diesem Fall gewusst, dass von den Demonstranten keine Gefahr ausgeht. Daher waren am Tag für etwa 80 Aktivisten 20 Kollegen vor Ort. Wenn wir aber Gegenstände im Camp räumen mussten, kam auch mal Verstärkung dazu. Denn beim Ausführen solcher Aktionen wurden die Polizisten teilweise gebissen, getreten und bespuckt – da mussten die Kollegen dann auch mal vom Zwang Gebrauch machen.
Störungsmelder: Wenn Befehle der Polizisten nicht befolgt werden – welche Möglichkeiten hat die Polizei dann, diese durchzusetzen?
Redlich: Polizisten können Anordnungen zwangsweise durchsetzen, wenn sie nicht freiwillig umgesetzt werden. Wenn am Brandenburger Tor von den Aktivisten zum Beispiel Zelte aufgebaut wurden, haben wir erst gebeten, diese abzubauen. Wenn das nicht gemacht wurde, kamen eben 20 Kollegen zu den Zelten, haben sie gepackt und mitgenommen. Eine Räumung hat es aber nie gegeben, es wurden nur Gegenstände weg getragen, wenn diese nicht erlaubt waren. Als der Wärmebus der Flüchtlinge abgeschleppt wurde, wurden die, die diese Aktion blockiert haben, ebenfalls zur Seite geräumt, wenn sie nicht freiwillig gehen wollten.
Störungsmelder: Halten Sie den Umgang der Polizisten mit den Flüchtlings-Aktivisten am Brandenburger Tor für verhältnismäßig?
Redlich: Was ich vor Ort und auf den Videoaufnahmen von den Einsätzen, zum Beispiel von der Abschlepp-Aktion des Wärmebusses, gesehen habe, sah vernünftig aus. Auf den Videoaufnahmen habe ich gesehen, dass die Kollegen provoziert wurden, aber trotzdem ruhig geblieben sind. Wenn Menschen, die solche Aktionen blockieren, zur Seite geschoben werden, soll das natürlich so passieren, dass niemand verletzt wird. Ich habe von den Vorwürfen gegen die Polizei gehört, aber es gab nur wenige Anzeigen. Etwa 70 Beamte waren vor Ort, als der Wärmebus abgeschleppt wurde – jeder Polizist hat eine Nummer, jeder kann sich über deren Verhalten beschweren. Insgesamt glaube ich, dass die angebliche Gewalt der Polizisten gegen die Demonstranten dazu instrumentalisiert wurde, Medienaufmerksamkeit zu bekommen. Letzten Endes wurde die Auseinandersetzung zwischen Polizei und Aktivisten dadurch mehr in den Vordergrund gerückt als das Thema des Protests selbst.
Störungsmelder: Wodurch kam es Ihrer Meinung nach zu den ständigen Konflikten zwischen Polizisten und Aktivisten?
Redlich: Die Demonstranten waren nicht gewaltbereit, aber konfliktbereit. Ich glaube, dass von Aktivisten gezielt ein Konflikt gesucht wurde, um die Polizisten schlecht hinzustellen. Es wurden geschickt Bilder produziert, die die Polizei gewalttätig aussehen ließen. Zum Beispiel hat die Polizei Menschen aus Rollstühlen gehoben. Die waren aber nicht gehbehindert, sondern haben damit nur provoziert. Für Leute, die das nicht wussten, sah das natürlich heftig aus. Meine Kollegen müssen sich wirklich viel anhören, aber sie wissen auch, dass das nicht persönlich gemeint ist. Es gibt kein spezielles Monitoring, durch das die Polizei kontrolliert wird, aber die Kollegen werden ja immer wieder ausgewechselt.
Störungsmelder: Gab es nach den wochenlangen Protesten der Flüchtlinge am Brandenburger Tor Anzeigen gegen die Polizei?
Redlich: Es gab sechs Strafanzeigen der Demonstranten. Diese wurden an die Staatsanwaltschaft weiter gegeben, aber die Geschädigten haben sich keiner Vernehmung gestellt, also keine Aussagen mehr gemacht. Eine Außenstehende hat einen Polizisten angezeigt, der sie beim Protest am Pariser Platz an den Haaren weggezogen und ihr den Ellebogen gebrochen haben soll. Die Ermittlungen zu diesem Fall hat die Polizei Mitte Februar an die Staatsanwaltschaft übergeben.
Störungsmelder: Viele Aktivisten des Protests haben gesagt, dass sie die Polizei nicht anzeigen, weil das sowieso keinen Sinn habe, da sofort eine Gegenanzeige zurück käme und die meisten Verfahren gegen Polizisten eingestellt würden. Was meinen Sie dazu?
Redlich: Ich kenne zwar die Quote der Verurteilung von Polizisten nicht, aber darüber entscheidet ja auch immer die Staatsanwaltschaft, nicht die Polizei. Wir haben im Landeskriminalamt extra eine Spezialdienststelle, die Polizeidelikte neutral überprüft. Diese ist getrennt von den normalen Polizeieinheiten, die beispielsweise bei Demonstrationen dabei sind. Ich weiß, dass die Beweissituation für Betroffene schwierig ist, wenn sie mehreren Polizisten gegenüber stehen. Aber es gibt genug Möglichkeiten, falsche Handlungen der Polizei zu dokumentieren. Da kann man schon das Vertrauen in die Justiz haben, dass Vorwürfe gründlich untersucht werden.
Das war der 12. Teil meiner Artikel-Serie über das Refugee Camp Berlin.