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Flüchtlingsprotestler geben nicht auf

 

Zweieinhalb Stunden lang riefen Flüchtlinge und Unterstützer während des Marschs durch die Münchner Innenstadt ihre Parolen © Caro Lobig
Zweieinhalb Stunden lang riefen Flüchtlinge und Unterstützer während des Marschs durch die Münchner Innenstadt ihre Parolen © Caro Lobig

Etwa 700 Demonstranten, darunter um die 30 Flüchtlinge, sind gestern in einem Demonstrationszug für die Forderungen der Flüchtlinge durch die Münchner Innenstadt gelaufen. Nach dem zweiwöchigen Protestmarsch der Flüchtlinge und ihrer Unterstützer nach München ist die Abschlusskundgebung friedlich verlaufen – bis Neonazis die Gruppe provozierten. Aktuell warten die Aktivisten im Gewerkschaftshaus des DGB auf eine Reaktion der verantwortlichen Politiker.

http://vimeo.com/73815660

„Kein Mensch ist illegal, Bleiberecht überall“ – im Chor schrien hunderte Unterstützer den allbekannten Spruch der Flüchtlingsbewegung, die vor einem Jahr für ihre Forderungen schon von Würzburg nach Berlin lief. Gestern, als die „refugeestruggle“-Gruppe um 19 Uhr nach zwei Wochen Fußmarsch von Würzburg und Bayreuth an der Münchner Freiheit ankamen, wurden sie mit lauten Parolen und Jubel von ihren Sympathisanten empfangen.

Der Platz füllte sich immer mehr mit Sympathisanten, die die ankommenden Flüchtlinge unterstützen wollten © Caro Lobig
Der Platz füllte sich immer mehr mit Sympathisanten, die die ankommenden Flüchtlinge unterstützen wollten © Caro Lobig

Dass die etwa 30 Flüchtlinge und 100 Unterstützer seit 14 Tagen unterwegs sind und täglich von der Polizei kontrolliert, teilweise verletzt und in Gewahrsam genommen wurden, merkte man ihnen nicht an. Der Protestmarsch der „refugeestruggle“-Gruppe, wie sie sich selbst nennt, war voller Elan und Freude. In einem Redebeitrag sagte einer der Geflüchteten: „Wenn wir uns gegenseitig in die Augen schauen, wissen wir dass wir nicht alleine sind und dass wir Rückendeckung haben“.

200 Polizisten liefen vor, neben und hinter dem Demonstrationszug mit und standen an allen Ecken der Straßen, die für die Aktion gesperrt waren. Für die Menschen in den Biergärten und die Autofahrer im Stau war der Marsch von etwa 700 Demonstranten durch die Innenstadt eine Attraktion. Einige hupten, machten Fotos oder beobachteten das Geschehen fasziniert.

Schon zwei Stunden vor Beginn der Demonstration kontrollierte die Polizei an der Münchner Freiheit jeden, der aus der U-Bahn-Station kam © Caro Lobig
Schon zwei Stunden vor Beginn der Demonstration kontrollierte die Polizei an der Münchner Freiheit jeden, der aus der U-Bahn-Station kam © Caro Lobig

Auf der gesamten Strecke bis zum Justizpalast waren die Sprechchöre laut zu hören. Neben „Nazis vertreiben, Flüchtlinge bleiben“ und „No nation, no border, fight law and order“ gab es auch einen Spruch, der auf die täglichen Polizeikontrollen in den letzten beiden Wochen anspielte: „Polizeigewalt? Scheise! Rassistische Polizei? Scheise! Rassistische Polizeikontrolle? Scheise!“

Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) scheint die Forderungen der Flüchtlinge gar nicht erst ernst zu nehmen – da Mitglieder der Piraten- und der Linkspartei Kundgebungen für die Flüchtlinge angemeldet hatten, hält er den Protestmarsch für reinen Wahlkampf, wie er dem Bayrischen Rundfunk mitteilte. Außerdem betonte er, dass „rein juristisch“ nur den deutschen Staatsbürgern das Demonstrations- und Versammlungsrecht zustünde.

Damit widerspricht sich Herrmann selbst: Ohne die Unterstützung von deutschen Staatsbürgern, die das Recht haben, Kundgebungen anzumelden, wäre es für Flüchtlinge gar nicht möglich, legal zu demonstrieren.

Die Asylbewerber glauben vielmehr, dass der bayrische Innenminister mit derartigen Behauptungen ablenken will und erklärten: „Es ist eine Schande, wie die Bayerische Regierung in den letzten 15 Monaten und insbesondere in den letzten zwei Wochen, anstatt auf unsere Forderungen einzugehen, uns physikalisch auszugrenzen versucht hat.“ Sie betonen, dass die Streitfrage der Asylsuchenden nicht gelöst werden könne, indem man die Aktivisten aus dem Weg räume.

Der Iraner Mohammed Reza Jalilian, der den Zug mit der roten „refugeestruggle“-Fahne anführt, berichtete: „Die Polizei war in den letzten beiden Wochen ständig bei uns, in Uniform und in zivil. Viele von uns wurden von ihr verletzt“. Der Iraner ist seit vier Jahren in Deutschland und spricht sehr gut Deutsch – sein Aufenthaltsstatus heißt dennoch „Duldung“.

Nachdem während einer Pause vor dem Justizpalast eine Sympathisantin wegen Wassermangels kollabierte und ins Krankenhaus gebracht wurde, löste die Anmelderin der Demonstration die Veranstaltung auf.

Die bis dahin friedliche Situation eskalierte erst danach, als vier Neonazis der Organisation „Freies Netz Süd“ die Gruppe provozierte. Die Demonstranten rannten auf sie zu und vertrieben sie mit lauten „Nazis raus!“-Rufen, bis die Polizei eingriff und sich in einer Kette zwischen die beiden Gruppen stellte.

Die Stimmung war euphorisch und energiegeladen, als die Demonstration von der Münchner Freiheit aus gemeinsam mit den Flüchtlingen loszog  © Caro Lobig
Die Stimmung war euphorisch und energiegeladen, als die Demonstration von der Münchner Freiheit aus gemeinsam mit den Flüchtlingen loszog © Caro Lobig

Erst nach einer weiteren Jagd der Demonstranten auf die Neonazis drückte die Polizei ebendiese gegen die Wand und nahm sie anschließend in Gewahrsam.

Die Flüchtlinge und ihre Unterstützer übernachteten anschließend im Gewerkschaftshaus des DGB.

Jalilian sagte: „Wir haben Angst vor der Polizei, deswegen bleiben wir im DGB-Haus, hier sind wir sicher. Draußen erwartet uns überall die Polizei.“

Die Aktivisten wollen solange dort bleiben, bis von den verantwortlichen Politikern eine Reaktion auf ihre Forderungen kommt. Erst dann entscheiden die Protestler, wie sie ihren Streik fortsetzen.