Dass das Neonazi-Netzwerk „Gefangenenhilfe“ (GH) ausgerechnet Brandenburg an der Havel als Kundgebungsort wählte, dürfte kein Zufall sein, verbüßt doch hier Holocaustleugner Horst Mahler eine mehrjährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung. Insgesamt waren es am Samstag um die 70 Teilnehmer auf der Neonazi-Kundgebung, die getreu dem Veranstaltungsmotto ihre „Solidarität gegen staatliche Repression“ bekundeten. Auch Maik Eminger, Zwillingsbruder des Mitangeklagten im NSU-Prozess, André Eminger, war vor Ort.
Das erste Mal öffentlich in Erscheinung getreten ist die „Gefangenenhilfe“ mit dem ersten Eintrag auf ihrer Webseite im April 2012, sieben Monate nach dem Verbot der „Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene“ (HNG) durch den damaligen Bundesinnenminister, Hans-Peter Friedrich (CSU). Seitdem übernimmt die GH die Arbeiten der HNG und betont dabei immer wieder, nicht ihre Nachfolgeorganisation zu sein. So weist die GH auch in einem Interview mit einer Neonaziplattform darauf hin, dass sie keine Struktur kopieren oder fortführen wolle, sondern eine völlig neue aufgebaut habe. Um das staatliche Vorgehen gegen die neu gegründete Gruppe zu erschweren, suchte sich die GH ihren Sitz in Schweden, eröffnete dort auch ihr Bankkonto und ließ die Organisation ins schwedische Vereinsregister eintragen. Als Drahtzieher gilt Stephan G., ein in Skandinavien lebender deutscher Neonazi, der dem „Blood & Honour“-Netzwerk zuzurechnen ist. Die „Gefangenenhilfe“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, inhaftierte Neonazis finanziell und emotional zu unterstützen. Dazu hält sie Briefkontakt mit den Neonazi-Häftlingen und sammelt Gelder, um die Kosten der Straftäter und ihrer Familien zu decken, von Prozesskosten über Rechnungen bis hin zu den anfallenden Unterhaltskosten.
Ein besonders prominenter Spendenempfänger der GH ist der mutmaßliche NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben, der Anfang der 2000er Jahre die Schusswaffe nebst Munition für das mörderische Neonazi-Trio organisiert haben soll. Für ihn produzierte die „Gefangenenhilfe“ eigens ein „Soli-T-Shirt“ mit der Aufschrift „Freiheit für Wolle“. Aber auch durch das Organisieren von „Balladenabenden“ oder MMA-Kämpfen wird versucht, Gelder zu akquirieren.
Die Verbindung zum NSU ließ sich auch am Samstag in Brandenburg nicht verbergen: Maik Eminger, Zwillingsbruder des Mitangeklagten André Eminger im Münchner Prozess, sorgte als gesetzte Szenegröße für die Anordnung der Demonstrationsteilnehmer. Er, langjähriger Vorsitzender der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) Potsdam, war es auch, der die erste Rede auf der Neonaziveranstaltung hielt. Nach ihm trat der Vorsitzende der Brandenburger JN, Pierre Dornbrach, ans Mikrofon, gefolgt von einem Redner der neonazistischen Partei „Der dritte Weg“, die seit Kurzem auch einen Ableger in der Uckermark hat. Der Berliner NPD-Landesvorsitzende Sebastian Schmidtke durfte bei der Kundgebung natürlich nicht fehlen, auch er hielt einen Redebeitrag.
Angemeldet wurde die Kundgebung von der NPD Havel-Nuthe – vermutlich um den Behörden keine Namen der Hintermänner der GH in die Hände zu legen – erst am Montag. Ganz ohne Gegenprotest konnten die Neonazis ihre Solidaritätskundgebung trotz der kurzfristigen Anmeldung dann aber doch nicht abhalten: Ungefähr 100 Menschen, unter ihnen auch Brandenburgs Bürgermeisterin, Dietlind Tiemann (CDU), stellten sich den Rechtsextremen entgegen. Zu Gegenaktionen aufgerufen hatten die „Koordinierungsgruppe für Demokratie und Toleranz“ sowie die Linksjugend solid.
Für viel Aufmerksamkeit und einige verwirrte Blicke sorgte das Erscheinen eines täuschend echt wirkenden Hitler-Doubles auf einem angrenzenden Hotel-Balkon. Der dort zu sehende Hitler war umringt von Kameras – es handelte sich um Dreharbeiten für eine Medienadaption des 2012 erschienen Bestseller-Romans von Timur Vermes, „Er ist wieder da“. Die Neonazikundgebung biete eine gute Kulisse, äußerte sich der Produzent des Films gegenüber einem Regionalmagazin.
Nach anderthalb Stunden, um 15.30 Uhr, beendete dann Maik Eminger die Versammlung. Und obwohl Pierre Dornbrach während seiner Rede vehement versuchte, die „Schubladen links und rechts“ zu dekonstruieren, ließ es sich Maik Eminger nicht nehmen, gemeinsam mit den Teilnehmern den „Nationalen Sozialismus“ einzufordern. Das mit dem „Unpolitisch“-Geben hat dann doch nicht so ganz funktioniert.
Weitere Fotos von Anton Lommon: