Am Samstag feiert die „Vereinigung Hamburger Akademikerverbände“ (VHA), der Zusammenschluss fast aller Hamburger Studentenverbindungen seinen alljährlichen Festkommers. Diesmal findet das anachronistische Spektakel zu Ehren des Antidemokraten Otto von Bismarck statt. Die Festrede hält pikanterweise der Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs (SPD), dessen politische Urväter vom Eisernen Kanzler gnadenlos mittels Sozialistengesetzen verfolgt wurden. Sein ursprünglich geplantes Thema „Griechenland und die Zukunft Europas“ hat er kurzfristig in „Zuwanderung – Deutschlands Grenze erreicht?“ geändert.
Egal ob schlagend oder nicht schlagend und unabhängig von der Konfession, bei der VHA sind fast alle Koporierte vertreten. Dies gilt auch über die politischen Grenzen hinweg. Hier können sich Korporierte von SPD bis AfD treffen und bis vor ein paar Jahren durften auch noch Rechtsextremisten in Gestalt von Angehörigen der „Hamburger Burschenschaft Germania“ teilnehmen.
Die VHA rühmt sich die „älteste deutsche Korporationsvereinigung“ zu sein und nennt sich im Untertitel „Akademischer Bismarck-Ausschuß“. Der diesjährige Kommers findet im Jahr seines 200. Geburtstages statt. Der Reichskanzler war selbst Corpsstudent und zu Lebzeiten, vor allem aber nach seinem Tod, das Idol des deutschen Korporationswesens. Der antidemokratische, antiliberale und antirepublikanisch gesinnte Sozialistenfeind wurde gerade in der Weimarer Republik zum ideologischen Übervater der mehrheitlich republik- und fortschrittsfeindlichen Verbindungen. Bismarcks bekanntes Zitat, „nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut“, wurde damals sowohl von Korporationen, als auch später von den Nationalsozialisten rezipiert.
Welch Geist noch heute bei einigen Alten Herren (AH) bzw. Hamburger Korporationen vorherrscht, wird beim genaueren Hingucken deutlich. Im Namen der VHA laden der Vorsitzende Ernst Riechert und sein Waffenbruder Winfried Wagener ein. Riechert stammt aus einem schlagendem Corps (Saxonia Jena et Bonn) und war schon zu seinen Berufszeiten als Richter eifriger Verfechter von ritualisierten Körperverletzungen. Als Mitte der 1970er Jahre an der neu gegründeten Hamburger Bundeswehruniversität Offiziersstudenten mit frischen Schmissen auftauchten, wollte die Unileitung die Mitgliedschaft in schlagenden Verbindungen verbieten. Dass scharfe Säbel auf den bloßen Kopf geschlagen nichts Barbarisches an sich hätten, fand Riechert schon damals und wurde vom Spiegel zitiert „Auch der eheliche Beischlaf kann grausam sein“.
Und dass die Mensur für schlagende Verbände noch heute zum wahren Mann dazu gehöre, kann man in einer aktuellen Werbebroschüre des „Corps Irminsul“ aus Hamburg, nachlesen. Eng gepaart mit der Männerbündelei, Frauen ist die Mitgliedschaft meist verboten, ist oftmals eine antifeministische Haltung. Die Burschenschaftlichen Blätter, illustrierten dies in ihrer Ausgabe von 1/2010.
Winfried Wagener hingegen ist AH einer Sängerschaft und der schlagenden „Landsmannschaft Mecklenburgia Rostock“ (LMR). Über diese Verbindung konnte man schon 1993 in einem vertraulichem Verfassungsschutzbericht lesen, „als zumindest rechtsextremistisch beeinflusst hat ebenso die ‚Landsmannschaft Mecklenburgia’ zu gelten.“ Eine Einschätzung welche auch heute noch Bestand haben könnte, wenn man den Veranstaltungskalender der LMR aus den letzten Jahren liest.
Dem üblichen, antifeministischem Vorurteil geschuldet, dürfte die ironische Ankündigung einer „Antidiskriminative(n) und gendergerechte(n) Gutmenschen-Semesterabschlusskneip*In“ sein. Dass mit zwei studentischen Kneipen dem Sedanstag und explizit der „französischen Kapitulation nach der Schlacht von Sedan“ gedacht wurde, spricht für althergebrachte Ressentiments. Und es spricht wenig für Völkerverständigung wohl aber für versteckte, revanchistische Gelüste, wie auch ein „Siebenbürgenstammtisch 2012“ oder eine „Koloniale Abkneipe“ um in „trinkfreudigem Rahmen der ehemaligen deutschen Kolonien zu gedenken.“ Sympathien für eine rechtsterroristische Bewegungen lässt gar eine Kneipe mit dem Titel „Im heiligen Land Tirol“, welche „anlässlich des 50. Jahrestages der Südtiroler Feuernacht, dem flammenden Fanal wider die italienische Fremdherrschaft“ veranstaltet wurde. Bei der „Feuernacht“ wurden 1961 von Rechtsterroristen 37 Strommasten gesprengt und der italienische Straßenarbeiter Giovanni Postal getötet.
Am Samstag soll ausgerechnet ein „Roter“ als Festredner der rechten Corona den Bauch pinseln. Johannes Kahrs ist selbst AH einer evangelischen Verbindung. Und er ist immer wieder das Feigenblatt der Korporierten, wenn diese sich Kritik ausgesetzt sehen. Als Christoph Alhaus (CDU) 2010 in Hamburg zum Bürgermeister kandidierte, wurde publik, dass er Konkneipant einer schlagenden Verbindung aus dem Coburger Convent war. Um in der hanseatisch geprägten Stadt und der eher liberalen Metropolen-CDU bestehen zu können, trat Ahlhaus flugs aus der Verbindung aus. Intern mokierten sich viele AHs über den ‚feigen’ Alhaus, der eines Burschenbandes auch nicht würdig sei, öffentlich echauffierten sich viele jedoch über eine angebliche Hetzjagd auf Korporierte und ihre Prinzipien. Kahrs, Mitglied im Seeheimer Kreis der SPD-Rechten, darf nun zu „Zuwanderung – Deutschlands Grenze erreicht?“ vor den Verbindungen sprechen. Und diese danken damit für „sein öffentliches Bekenntnis und Eintreten für die Korporationen anlässlich von diesbezüglichen Anwürfen“ im Jahre 2010. Auch Kahrs stellt sich mit seiner Festrede beinahe in die Nähe eines extremen Rechten. 2009 lud die VHA Dr. Menno Aden, AH eines Corps, zum Festvortrag ein. Aden ist ein seit Jahren aktiver Geschichtsrevisionist und verbreitete zur Zahl der Holocaustopfer steile Thesen. Der Kommers mit Aden konnte 2009 nicht stattfinden, weil die VHA sich nicht öffentlich von Neonazis in ihren Reihen distanzieren wollte und deshalb keinen Veranstaltungssaal fand.