Seit Monaten legten die Umfrageergebnisse nahe, was nach den Wahlen vom 13. März auch eintrat: Die Alternative für Deutschland zieht mit 61 Abgeordneten in 3 weitere Parlamente ein und ist damit in der Hälfte der deutschen Landtage vertreten. Doch der jüngste Wahlerfolg ist nicht nur vor dem Hintergrund der Umfragen wenig überraschend, auch der Erfolg von Thilo Sarrazin, das mediale Hofieren von Pegida und die Verschärfung der Asylgesetze bereiteten diesem Wahlsieg den Boden.
Ein Blick in die zentralen Studien zu rechtsextremen Einstellungen zeigt: Das Potential für eine Partei wie die AfD existiert schon seit geraumer Zeit. 2014 stellte eine Studie der Universität Leipzig fest: 27,5% der Befragten empfanden Deutschland als „in einem gefährlichen Maß überfremdet“. Auch die sogenannten Heitmeyer-Studien der Universität Bielefeld, die zwischen 2002 und 2011 Elemente gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit untersuchten kamen zu ähnlichen Ergebnissen: 2010 fanden 49% der Befragten: „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland“. Wilhelm Heitmeyer wies in diesem Zusammenhang immer wieder auf die Bedeutung der ökonomischen Krise hin und betonte die Bedeutung der „Ökonomisierung des Sozialen“ für die Zunahme von abwertenden Einstellungen gegenüber Migrant_innen und Obdachlosen.
Neu mag also die AfD sein. Die Einstellungen, die sie ausdrückt, sind es nicht.
Ein prominenter Vorreiter des Rassismus, wie ihn die AfD vertritt, ist Thilo Sarrazin. In „Deutschland schafft sich ab“, einem der erfolgreichsten Sachbücher der deutschen Nachkriegsgeschichte, verbindet er rassistische Stereotype über Muslime, Türk_innen und arabische Menschen mit der neoliberalen Haltung die staatliche Leistungen an Verwertbarkeit und Leistungsbereitschaft der Zuwendungsempfänger knüpft. Aus dieser Verbindung ergibt sich eine Argumentation, die den ökonomischen und sozialen Ausschluss von Angehörigen bestimmter Minderheiten kulturalisiert und mit der behaupteten kulturellen Andersartigkeit rechtfertigte. Gleichzeitig machte sie den Ausschluss den Ausgeschlossenen als fehlende Integrationsbereitschaft zum Vorwurf.
Die Figur lautet dann ungefähr so: „DIE bilden eine Parallelgesellschaft, weil das was mit IHRER Kultur zu tun hat. Und weil DIE sich nicht anpassen wollen, kriegen DIE auch keine Jobs oder Wohnungen.“ Was den Weg für die AfD ebnete waren die Verkaufszahlen des Buches ebenso wie die zahllosen Podien, die Sarrazin in nahezu sämtlichen Talkshows, Zeitungen oder Magazinen geboten wurden.
Auch die fehlende Bereitschaft der SPD, Position gegen Rassismus zu beziehen und Sarrazin aus der Partei auszuschließen führte zu einer weiteren Akzeptanz rechter Positionen im gesellschaftlichen Mainstream. Hieran konnte die AfD anknüpfen.
Zumindest mittelbar wirkte sich auch die sogenannte „Kinderbuchdebatte“ auf den Erfolg der AfD aus. Anfang 2013 erklärte der Thienemann-Verlag, er werde bei Neuauflagen der Kinderbücher Preußlers auf rassistische Begriffe verzichten. Dem folgte eine mehrwöchige Debatte, die in sämtlichen deutschen Feuilletons und Kulturmagazinen geführt wurde und in der ein Weißer Deutungsanspruch darüber, was diskriminierende Sprache ist gegen die Positionen und Forderungen von Schwarzen Deutschen und People of Color durchgesetzt wurde. Für die Erfolge der Alternative für Deutschland ist das deshalb bedeutsam, weil sie mit ihren Positionen auch deshalb Raum einnehmen kann, weil die Stimmen der Betroffenen zuvor aus diesem Raum verdrängt wurden.
Analog zum Rassismus ließe sich das im Übrigen auch in Bezug auf den Sexismus der AfD argumentieren. Eine Debattenkultur, in der Frauen immer, wenn sie Sexismus anklagen, mit Misstrauen und Herabwürdigung konfrontiert sind, stärkt die Position antifeministischer Politik und Parteien wie die AfD.
Auch PEGIDA ist Teil der Erfolgsbedingungen der AfD. Wie schon Thilo Sarrazin gelang es auch PEGIDA trotz – vielleicht aber auch gerade wegen – der penetrant vorgetragenen Inszenierung, die Presse würde zu ihrem Nachteil berichten, einen außerordentlichen medialen Einfluss zu entwickeln. Bereitwillig gaben Talkshows, Zeitungen und sogar die Landeszentrale für Politische Bildung in Sachsen der rassistischen Hetze von PEGIDA ein Podium. Die AfD knüpfte sowohl an die mobilisierungsfähige Feindbestimmung der Lügenpresse als auch an die Opferinszenierung von PEGIDA an und konnte beide Momente strategisch erfolgreich nutzen.
Und auch die Bundesregierung trug zu dem Erfolg der AfD bei. Allein in dem halben Jahr vor den Landtagswahlen am 13. März wurden zwei Gesetzespakete verabschiedet, die das Asylrecht weiter einschränkten. Diese Gesetzesverschärfungen signalisieren deutlich, dass rassistische Proteste wahrgenommen werden und dass die Forderungen aufgenommen werden. Politisch gestärkt haben diese Verschärfungen allerdings nicht die Koalition sondern das rechte Original, die AfD. Ebenso trieben Teile der CDU, die auch durch öffentlichen Druck versucht hatten, eine noch restriktivere Flüchtlingspolitik gegen die Kanzlerin durchzusetzen, viele Wähler_innen zur AfD. Doch auch Politiker_innen der anderen Parteien bemühten sich, durch rechte Statements auch die Klientel zu binden, die für die AfD ansprechbar ist.
Die AfD trat also in einem Moment auf den Plan, in dem die Grenzen des öffentlich Sagbaren bereits so gesetzt waren, dass für sie Platz war und in dem Regierung und die meisten Parteien bereits Forderungen von PEGIDA aufgenommen hatte und damit Gestaltungsspielraum für eine rechte Partei signalisierten.
Die AfD ist der parteiförmige Ausdruck einer Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse nach rechts, ebenso wie die rassistische Enthemmung in den sozialen Netzwerken ein solcher Ausdruck ist oder die explodierenden Zahlen rechter und rassistischer Angriffe und Anschläge. Wenn dem Aufstieg der AfD Einhalt geboten werden soll, muss er als Teile einer solchen Verschiebung begriffen werden.