Nachdem die NPD in Thüringen ihre Vormachtstellung in der extrem rechten Szene verloren hat, versucht die Partei „Die Rechte“ (DR) ihre Arbeit im Freistaat auszubauen. Zwar gehen von ihrem Landesverband keine Aktivitäten aus, DR-Aktivisten in Erfurt versuchen sich jedoch momentan besonders an der rechten Graswurzelarbeit auf lokaler Ebene.
Es waren markige Worte, mit denen der Thüringer Landesverband der Partei „Die Rechte“ (DR) nach seiner Gründung im Juli 2015 seine ersten Schritte beschrieb: „Strukturaufbau, Vernetzung und Zusammenarbeit aller nationalen Kräfte in Thüringen“. Doch ein Jahr nach dem Treffen im südthüringischen Haselbach ist von Aktivitäten des Landesverbandes nichts mehr zu merken. Nach einem Streit im Kreisverband Südthüringen pflegt der 2015 gewählte Landesvorsitzende Bernd Müller in der „Weltenbaum-Gemeinschaft“ seine extrem rechte Esoterik und beklagt sich über Vorwürfe seines einstigen Kreisverbandes, mit „gespendeten Sachen schindluder zu treiben oder uns daran zu bereichern“. Auch von Jörg Krautheim ist im Landesvorstand nichts mehr zu hören. Der 1978 geborene ehemalige Mitbegründer der „Kameradschaft Gera“ und spätere NPD-Landesorganisationsleiter hatte schon im Jahr 2014 mit Plänen zur DR-Gründung in Thüringen geliebäugelt.
Die Landesregierung beziffert die Mitgliederzahl der Kleinpartei mit zwei Kreisverbänden und drei Stützpunkten 2015 landesweit auf 15 Personen, seitdem dürften einige neue Mitglieder hinzugekommen sein – ein schmerzhafter Aderlass für die NPD, die auch in Thüringen im Sinkflug ist. Bereits im Oktober 2015 trat Yvonne Lüttich, die bislang für die NPD im Ortsteilrat Weimar-West saß, zu DR über, acht Monate später tut es ihr der Erfurter NPD-Stadtrat Enrico Biczysko gleich – und wechselte in den DR Kreisverband Mittelthüringen. Von dort heißt es: „Alle konstruktiven Versuche der NPD ein bisschen frischen Wind einzuhauchen, wurden von der Landesspitze im Keim erstickt. Ebenso war durch die anhaltenden innerparteilichen Streitigkeiten in der NPD, keine konstruktive politische Arbeit mehr möglich“. Die Häme kommt nicht von ungefähr, denn der Vorsitzende des im Januar 2016 gegründeten DR-Kreisverbandes ist der langjährig aktive Neonazi Michel Fischer, dem die NPD und andere extrem rechte Gruppen 2013 „blinden Aktionismus, eine Spaltung nationaler Gruppierungen und eine inszenierte Selbstdarstellung“ vorgeworfen und ihm die Zusammenarbeit versagt hatten. Wegen fehlender personeller Ressourcen knickte die NPD aber schon fünf Monate später ein und holte Fischer bei einer Kundgebung in Weimar wieder mit ins Boot.
Der von ihm geleitete Kreisverband ist momentan das aktivistische Zentrum von DR in Thüringen und versucht sich jetzt in der rechten Graswurzelarbeit im Erfurter Südosten. Mit Enrico Biczysko und David V. wohnen dort gleich zwei Vorstandsmitglieder, die auf die Kooperation mit dem dort ebenfalls beheimateten Verein „Volksgemeinschaft“ und seine rund 400qm Räumlichkeiten bauen können. Seit Anfang des Jahres finden im Unterschoss des alten „Herrenberg Center“ Konzerte mit Neonazi-Liedermachern sowie Treffen und Rechtsschulungen von NPD und DR statt. Auf Fragen vor Ort, welches Angebot der Verein denn im Plattenbauviertel unterbreite, kommen Antworten wie „Musik- und Sportunterricht“ und man wolle die „Kinder und Jugendlichen von der Straße holen“. Tatsächlich sind die Räume gut ausgestattet, es gibt dort einen Kicker, Billardtische, Kraftsportgeräte und Boxsäcke, Dartautomaten und einen weitläufigen „Disco-Raum“ mit Theke. Auch eine Hüpfburg stellt der Verein zur Verfügung, sie wird von Marcel R. verwaltet, der ebenfalls dem DR-Vorstand angehört. Seit Mai gibt es feste Öffnungszeiten, daneben lädt der Verein auch zu Veranstaltungen wie einem Kinder-Tag, einer Tupper-und einer 99 Cent-Party ein. Das Angebot kommentiert der landesweit aktive Neonazi Robert Köcher auf der Facebook-Seite des Vereins: „Super Einrichtung, Super Leute! Ein Besuch lohnt sich“. Eine bedeutende Rolle dürfte für die „Volksgemeinschaft“ Biczysko spielen, der „als Scharnierperson zwischen den formell, informell und jugend- bzw. subkulturell organisierten Rechtsextremen in der Landeshauptstadt“ gilt. So wird er schon 2013 in der „Situations- und Ressourcenanalyse für die Thüringer Landeshauptstadt“ beschrieben. Darin konstatiert der Soziologe Matthias Quent, besonders im Südosten Erfurts gelte die extrem rechte Szene als etabliert. Er kommt zum Schluss „Die extreme Rechte kann Raumgewinne verbuchen, welche auf Stadtteilebene, insbesondere in Südost, kaum problematisiert werden“. Diese Raumgewinne bedeuteten auch Angst und Einschüchterung: „Andere Gruppen meiden diese Orte, potenzielle Opfer begreifen die Orte als Angstzonen, die nicht oder nur mit besonderer Vorsicht zu betreten sind“. Knapp drei Jahre nach
dem Erscheinen der Analyse stärkt auch die Gruppe „Antifaschistische Koordination Erfurt“ diese Einschätzung und warnt vor einem Rechtsrock-Konzert in der „Volksgemeinschaft“: „damit droht das Gebiet um die ehemalige Kaufhalle in der Stielerstraße eine No Go Area für nicht rechte Personen zu werden“. Die Hüpfburg der dort beheimateten „Volksgemeinschaft“ dürfte auch am Samstag, d. 30.07.2016 zu sehen sein, wenn der DR-Kreisverband Mittelthüringen ein Fest unter dem Motto „Deutsche Familien zuerst“ veranstalten will. Doch neben Hüpfburg und Lotterie ist intern die Rede von einer „politischen Standkundgebung“ mit „mehreren Redebeiträgen in regelmäßigen Abständen wie es sich für eine Kundgebung gehört“. Was genau Michel Fischer als Anmelder dazu beitragen will, „damit auch unsere Kinder ein kleines Leuchten in ihren Augen haben“, ist bislang nicht bekannt. Er war 2014 verurteilt worden, weil er einen 13-jährigen Jungen körperlich misshandelt hatte.