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„Ich versuche mich von dem Angriff nicht einschüchtern zu lassen…“

 

Offene rechte Symbolik bei der Kundgebung am Samstag in Cottbus © Presseservice Rathenow

Ney Sommerfeld berichtet seit Jahren auch für den ZEIT ONLINE Störungsmelder über die rechtsextreme Szene in Berlin und Brandenburg. Am Samstag wollte sie von einer Demonstration in Cottbus berichten, dabei wurde sie von Neonazi-Hooligans angegriffen. Wir haben mit ihr über den Angriff gesprochen.

Was für eine Demonstration fand am Samstag in Cottbus statt? Was für Klientel war auf der Veranstaltung?

An Sonnabend fand in Cottbus eine größere flüchtlingsfeindliche Kundgebung mit etwa 1.500 Teilnehmern statt. Die Veranstaltung nahm Straftaten von jungen Geflüchteten in der Cottbuser Innenstadt zum Anlass für eine politische Kampagne gegen Zuwanderung. Gleichzeitig kam es in Cottbus in jüngster Zeit immer wieder zu rassistischen Übergriffen. Federführend für die Kundgebung am Sonnabend war der Verein „Zukunft Heimat“, der dazu aufrief, den öffentlichen Raum zu verteidigen. Bei „Zukunft Heimat“ handelt es sich um eine neu-rechte Vereinigung, die seit 2015 rassistische und flüchtlingsfeindliche Demonstrationen in Südbrandenburg organisiert. Seit Mai 2017 liegt ihr Schwerpunkt auf Cottbus, die der Verein als „Brennpunkt“ in der Region ausgemacht hat. Die Kundgebung am Sonnabend war bis dahin die größte Veranstaltung.

Kundgebung des Vereins „Zukunft Heimat“ am 20. Januar in Cottbus © Ney Sommerfeld

Das Klientel der Kundgebung war, wie bereits bei den Veranstaltungen zuvor, sehr breit gefächert. Zum einen wurde der Schulterschluss zwischen „Zukunft Heimat“ und der AfD wiederholt deutlich: So wurden AfD-Transparente Seite an Seite mit Transparenten von „Zukunft Heimat“ aufgestellt. Außerdem gab es mehrere AfD-Politiker, darunter auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Brandenburg, Birgit Bessin, die an das Mikrofon traten. Zum anderen waren auch NPD-Aktivisten auf der Kundgebung vertreten, sowie Neonazis aus dem Hooligan-Milieu, darunter Personen der aufgelösten Ultra-Gruppierung „Inferno Cottbus“ des FC Energie Cottbus. Zudem waren Aktivisten von PEGIDA und ähnlicher Gruppierungen, wie beispielsweise Vertreter des „Bürgerforums Südbrandenburg“, aus Brandenburg, Berlin, Sachsen und weiterer angereist. Auch Anhänger der völkischen „Identitären Bewegung“ waren auf der Kundgebung vertreten.

Wie war die Situation für Journalisten vor Ort?

Die Situation war für uns von Anfang an sehr angespannt. Es herrschte eine negative Grundstimmung gegenüber der Presse. Mehrere Versammlungsteilnehmer versuchten Nahaufnahmen von uns zu machen. Auch der Hinweis, dass wir dies nicht wünschten, da wir als Pressevertreter nicht Teil der Versammlung sind, wurde ignoriert oder zog Beschimpfungen nach sich. Verschärft wurde die Situation noch durch die Reden. Sie heizten die negative Grundstimmung noch weiter an und schufen ein aggressives Klima gegenüber bestimmten Pressevertretern.  Ziel dieser verbalen Hassattacken war vor allem der TV Sender Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB). Auch Birgit Bessin beteiligte sich an der Schmähung des Landesrundfunksenders. Nachdem die Versammlungsteilnehmer bereits gegen den RBB aufgeputscht waren, ging sie in ihrem Redebeitrag sogar noch weiter, nannte einen Mitarbeiter des TV-Senders, der sich zu dieser Zeit in der Nähe der Rednerbühne befand, beim Namen, baute eine Drohkulisse gegen ihn auf und heizte die Stimmung gegen Journalisten so noch zusätzlich an.

Auch von der Bühne wurde Stimmung gegen Journalisten gemacht © Presseservice Rathenow

Wie kam es dann zu dem Angriff auf dich und die Kollegen?

Nachdem die Lage in der Kundgebung zunehmend ungemütlich wurde, beschlossen wir aus sicherer Entfernung Foto- und Videoaufnahmen zu machen. In der Nähe eines Döner-Imbisses hatten wir uns positioniert und sind unserer Arbeit nachgegangen. Irgendwann hatten dann zwei sportlich gekleidete junge Männer eine Kollegin umstellt, sie in aggressiver Weise beschimpft und sie an ihrer Arbeit gehindert. Ich würde beide Personen dem Hooligan-Milieu um „Inferno Cottbus“ zuordnen. Als ich mich zu ihr drehte, um die Situation auf Video festzuhalten, schlug einer der Männer auf meine Kamera ein. Es ging recht schnell, aber meine Ausrüstung wurde nicht beschädigt. Dann bespuckte er uns und rief einige Beleidigungen hinterher. All das passierte vor den Augen der Polizei, die nur wenige Meter weit weg stand und keine Anstalten machte, die beiden Männer zu kontrollieren, festzusetzen oder ähnliches. Die Männer sind dann weiter in unserer Nähe geblieben.

Nach dem Vorfall hatten wir uns dann entschieden die Arbeit abzubrechen. Es schien nicht, dass die Polizei den Schutz der Presse gewährleisten konnte oder wollte. Als dann die Kundgebung beendet wurde, zerstreuten sich die Demonstranten und die Lage wurde deutlich unübersichtlich. Diese Situation haben einige Personen dann ausgenutzt. Während ich mit einem Kollegen auf einer Bank letzte Fotos gemacht habe, kam plötzlich ein Mann in weinroter Bomberjacke angerannt und schubste mich von der Erhebung. Ich konnte mich abfangen und blieb unverletzt. Beim Umdrehen habe ich sehen können, wie er wegrannte. Die Polizei reagierte schnell und konnte den 44-jährigen Mann stellen. Noch vor Ort haben Szenekenner ihn als zentrale Figur der Hooligan-Szene von FC Energie Cottbus und als Aktivist von „Inferno“ identifiziert.

Wie hat die Polizei reagiert? Wurden die Angreifer durch die Beamten festgestellt?

Wenn man die Größe der Kundgebung berücksichtigt, war die Polizei mit einem sehr geringen Aufgebot vor Ort. Erst als sich die Kundgebung aufgelöst hatte, wurde deutlich, dass sie sichtlich überfordert waren und kaum den Überblick oder gar die Kontrolle hatten. Während sie zunächst tatenlos zusahen, wie mir ein Mann in die Kamera schlug und nicht reagierten, haben sie den Angreifer später dann recht schnell gestellt. Ein Beamter kam auf mich zu und bot mir an, Anzeige zu erstatten. Aber die Art und Weise war sehr befremdlich. Er sagte, er habe den Vorfall „ja nicht gesehen“, aber ich habe die Möglichkeit Anzeige zu erstatten. Was dann kam war auch erschreckend: Einerseits wollten die Beamten die Anzeige noch quasi am Tatort aufnehmen. Erst auf dringende Bitte sind sie an einen ruhigeren Ort gegangen. Andererseits haben sie es dann nicht geschafft, andere Kundgebungsteilnehmer, die immer wieder ankamen und mich, weitere Kollegen und sie anpöbelten, während der Maßnahme wegzuschicken. Zum Teil waren unter den Pöbelnden die Personen, die uns zuvor am Döner-Imbiss angegriffen hatten. Ein anderer Mann fertigte während der Maßnahme augenscheinlich Einzelporträtaufnahmen von uns mit seinem Handy an. Dabei schritt die Polizei kaum ein. Auch das scheint befremdlich, wenn man bedenkt, wie oft man als Pressevertreter von der Polizei mit dem Vorwurf an der Arbeit gehindert wird, man würde Portrait-Aufnahmen machen. Der Mann stand etwa einen Meter vor uns und richtete sein Handy auf jedes einzelne Gesicht. Bei ihm handelte es sich um einen Aktivisten der „Identitären Bewegung“ in Cottbus.

Transparent der AfD bei der Kundgebung des Vereins „Zukunft Heimat“ am 20. Januar in Cottbus © Ney Sommerfeld

Wie gehst du mit dem Angriff um?

Ich versuche mich von dem Angriff nicht einschüchtern zu lassen und bin erfreut, dass die Polizei scheinbar Ermittlungen wegen versuchter Körperverletzung und in dem anderen Fall wegen Sachbeschädigung aufgenommen hat. Ob es dann aber tatsächlich zu einer Verurteilung kommt, wird sich noch zeigen. Anzeige zu erstatten war für mich aber ein wichtiger Schritt, um den Angreifenden zu signalisieren, dass ihr gewalttätiges Handeln Konsequenzen hat. Dass Pressevertreter bei derartigen Veranstaltungen verbal und körperlich angegangen werden, ist nicht neu. Gerade am Rande PEGIDA-ähnlicher Versammlungen besteht schon immer ein hohes Risiko Opfer von Übergriffen zu werden. Aber es drängelt sich der Eindruck auf, dass ganz viele Schikanen und Angriffe weder durch die Öffentlichkeit, noch von der Polizei und Politik wahrgenommen werden. Ich finde es richtig, dass andere Medien über den Fall berichtet haben, da dies ein realeres Bild derartiger Versammlungen zeichnet. Es ist eben nicht nur Protest, den das „Zukunft Heimat“-Vorstandsmitglied Anne Haberstroh einleitend als „friedlich, aber bestimmt und fordernd“ beschrieb, sondern – meiner Meinung nach – aggressive Stimmungsmache. Zudem hat die Vereinigung offensichtlich ein Problem damit, sich von verbotenen Neonazi-Netzwerken, gewalttätigen Hooligans und der extrem rechten „Identitären Bewegung“ abzugrenzen. Wohin dieser Schulterschluss führt, konnten wir am Wochenende nun selbst erleben.

 

Das Interview führte Felix M. Steiner.