Von Antifaschisten verdammt, von den Fans geliebt und von einigen Medien als Rechtsrock zerrissen. Frei.Wild hat sich wörtlich von Rassismus und Faschismus distanziert und lässt volle Konzerthallen laut „Nazis Raus“ rufen. Kann diese Band dennoch völkischen Nationalismus in ihren Liedern verbreiten?
Eine ausführliche Kritik an der Band des „Identitätsrocks“ übte Thomas Kuban – der als Undercover-Journalist jahrelang auf Neonazikonzerten recherchierte – bereits im Februar. Dumpfer Patriotenrock aus Südtirol erobert die Arenen in ganz Deutschland, schreibt Störungsmelder. Als der NPD-Funktionär Patrick Schröder und sein anonymer Co-Moderator des neonazistischen Internetprojektes „FSN TV“ Mitte Oktober die Südtiroler Band supporteten, thematisierte dies Felix Benneckenstein. „Kein Frei.Wild!“ fordert der Watchblog Publikative.org. Organisationen und Parteien reagierten auf den heutigen „Freiwild“-Auftritt in Dortmund. Wie „rechts“ Frei.Wild wirklich sind, erörterte Thomas Kuban. “unpolitischer” Hass auf “Gutmenschen”, titelte Patrick Gensing und Andreas Strippel zu den Deutschrockern.
Von den Fans und der Band Frei.Wild selbst wird dagegen mit dem Video „Wahre Werte“ aus dem Album „Gegengift“ argumentiert. Im Vorspann wird Bezug zur Heimat genommen und sich von faschistischen Symbolen distanziert sowie die Parole „Nie mehr Faschismus, Nie mehr Nationalismus und Freiheit für jeden Menschen dieser Welt“ eingeblendet. Die Band stellt sich laut diesem Vorspann gegen den italienischen Faschismus – der Südtirol als Teil Italiens und nicht als Teil Österreichs oder Großdeutschlands sieht – und gegen Nationalismus, also auch gegen den italienischen Nationalismus, der sich gegen ein autonomes deutschsprachiges Südtirol wendet.
Vielleicht richtet sich das Video auch gegen den deutschen Nationalsozialismus, der Südtirol 1939 mit einem Abkommen zwischen Mussolini und Hitler bei Italien beließ und sich somit den Vorwurf des „Heimatverrats“ von Seiten rechtsradikaler deutschsprachiger Südtiroler aussetzte. „Freiheit für jeden Menschen dieser Welt“ passt ideologisch in den „Ethnopluralismus“ der „Neuen Rechten“, wonach jeder Mensch die Freiheit haben soll, bei „seinem Volk“ zu leben.
Nach dem Vorspann geht es in dem Musikclip mit dem Sänger und Gitarristen Philipp Burger weiter, der singt:
„Da, wo wir leben, da wo wir stehen,
ist unser Erbe,
liegt unser Segen,
Heimat hat Volk, Tradition und Sprache“
Das dies kein völkischen Nationalismus sein soll, fällt schwer zu glauben.
„Für uns Minderheiten eine Herzenssache
Das, was ich meine und jetzt werft, ruhig Steine
Wir sind von keinem Menschen die Feinde,
doch wir sind verpflichtet, dies zu bewahren,
unser Tirol gibts seit zwölfhundert Jahren“
Die Rede muss hier entweder von den deutschsprachigen Südtirolern sein, die mit einem Anteil von fast 70 Prozent die Mehrheit der Einwohner der autonomen Region „Trentino-Südtirol“ stellen, oder meint Frei.Wild hier eine vermeintliche „arische“ Minderheit? Ein rassistischer Song gegen Rassismus?
„Wo soll das hinführen,
wie weit mit uns gehen
Selbst ein Baum, ohne Wurzeln,
kann nicht bestehen
Wann hört ihr auf, eure Heimat zu hassen
Wenn ihr euch Ihrer schämt, dann könnt ihr sie doch verlassen“
Singen Neonazibands andere Songzeilen?
„Du kannst dich nicht drücken,
auf dein Land zu schauen
Denn deine Kinder werden später drauf bauen
Sprache, Brauchtum und Glaube,
sind Werte der Heimat
Ohne sie gehen wir unter,
stirbt unser kleines Volk“
Klingt doch irgendwie nach kulturellem Rassismus.
„Die Wurzeln des Landes,
wie kann man die hassen
Nur um es manchen,
recht zu machen
Die nur danach trachten, sich selbst zu verachten“
Veröffentlichte eine Band, die angeblich gegen jegliches rechtes Gedankengut ist.
„Wo soll das hinführen,
wie weit mit uns gehen
Selbst ein Baum,
ohne Wurzeln,
kann nicht bestehen
Wann hört ihr auf,
eure Heimat zu hassen,
wenn ihr euch Ihrer schämt,
dann könnt ihr sie doch verlassen
Du kannst dich nicht drücken,
auf dein Land zu schauen
Denn deine Kinder werden später drauf bauen
Sprache, Brauchtum und Glaube,
sind Werte der Heimat
Ohne sie gehen wir unter,
stirbt unser kleines Volk“
Passt irgendwie nicht zu „Nazis raus!“
„Nicht von gestern, Realisten
Wir hassen Faschisten, Nationalsozialisten
Unsere Heimat hat darunter gelitten
unser Land war begehrt, umkämpft und umstritten
Patriotismus heißt Heimatliebe
Respekt vor dem Land und Verachtung der Kriege
Wir stehen hier, mit unseren Namen
Wir werden unsere Wurzeln immer bewahren“
Klingt wieder sehr nach südtirolisch-völkischen Parolen gegen die angeblichen italienischen Besatzer unter dem faschistischen Diktator Mussolini und den angeblichen nationalsozialistischen „Volksverrätern“, die Südtirol nicht „Heim ins Reich“ holten.
Vielfältige Toleranz?
Des Weiteren wird das Lied „Schwarz & Weiß“ als angebliche Stellungsnahme von Frei.Wild für eine vielfältige Welt angeführt. Außer der Gleichstellung von „Diktatur, Demokratie, Kommunismus und Anarchie“ sowie von „rot und braun“ lässt sich sehr viel in den Songtext hineininterpretieren und mit den Satz „wir sind hier und du bist dort, weit weg von mir“ ist auch wieder eine neurechte-ethnopluralistische Auslegung des Songs möglich.
Klarstellung?
In seiner Videostellungsname „Klare Worte“ von Mittwoch spricht sich der Sänger und Bandgründer von Frei.Wild, Philipp Burger, wörtlich gegen „einem Nationalsozialismus“ und „jeglicher rechter Gesinnung“ aus und sagt, dass die Band keine Nazis auf ihren Konzerten dulde. Er gibt an zu glauben, dass die Frei.Wild-Fangemeinde ganz weit von jeglichem rechten Gedankengut entfernt sei.
Ein „heimatbezogener“ und patriotischer Sänger einer angeblichen unpolitischen Band, der sich von jedem Extremismus distanziert und alle „Anspielungen“ von den Medien als „vollkommen haltlos und an den Haaren herbeigezogen“ bezeichnet, erinnert unwillkürlich an Aussagen aus Islamhassblogs wie PI oder an die ständigen Distanzierungen von kulturrassistischen Splitterparteien wie „Die Freiheit“ und „Pro NRW“.
Anlass dieser aktuellen Stellungsnahme könnte sein, dass die Band aufgrund der „harschen Kritik“ Probleme mit Geschäftspartnern bekommt und wörtlich „volle Pulle unter Beschuss genommen“ wird. Laut Burger haben sich Polizei, Staatsschutz und viele Journalisten zur laufenden Tour angekündigt. Der Deutschrocker macht in dem Video eine Front des „Wir“ – die Fans und die Band – gegen die „Anderen“, die verschwörungstheoretisch umschriebenen angeblichen „Frei.Wild-Hasser“ und „Anti-Frei.Wild-Liga“ auf, bevor er vermeintlich pauschal Richtung Kritiker das Wort „Arschlöcher“ verwendet.