Wenn ein Neonazi in einem kommunalen Parlament bei einer Bürgersprechstunde eine Frage stellen kann ohne Widerspruch, ist es irritierend. Peinlich wird es erst, wenn alle anwesenden Fraktionen ihm für seine Fragen danken und ihm applaudieren. Eine solche Situation ereignete sich am vergangenen Mittwoch im Kreistag Oberhavel.
Ein junger Mann, der sich als Steve Schmidt aus Hennigsdorf vorstellte, hatte Fragen an den Kreistag bezüglich des Oberstufenzentrums in Zehdenick und dessen Zukunft. Genauer wollte er wissen, was der Kreistag sich für Gedanken macht, damit die Jugend im strukturschwachen Norden von Oberhavel nicht abwandert. Die Zuhörerschaft dankte ihm und er wurde aufgrund seines Engagements zu weiteren Ausschusssitzungen eingeladen.
Was kaum einer mitbekam war, dass er den NPD-Abgeordneten Axel Dreier mit Handschlag begrüßte. Nach Informationen der lokalen Antifa, bewegt sich Schmidt im Umfeld der JN Oranienburg. So hat er an einer Kundgebung am 01. September 2012, welche hauptsächlich von der örtlichen JN organisiert wurde, teilgenommen. Er trug eine Fuchsmaske und ein Schild mit dem Spruch: „Ich schlauer Fuchs, lass mich vom Staat und seinen Schergen nicht überlisten“ – nun überlistete Schmidt das demokratische Organ des Kreistags.
Das von Schmidt gewählte Thema traf genau ins Herz der Oberhaveler_innen. Das Problem mit Abwanderung aus dem Norden in den Ballungsraum Berlins ist real und wird von Neonazis unter der Verwendung des „Volkstod“-Begriffs gerne aufgegriffen. Bekannteste Beispiele lieferten die „Spreelichter“ mit den Kampagnen „Demokraten bringen uns den Volkstod“ und „Werde unsterblich“.
Schon einmal konnte die NPD-Oberhavel den Kreistag für sich zu nutzen. Zur WM 2010 beantragte der NPD-Kreistagsabgeordnete Detlef Appel
eine Unterbrechung der parlamentarischen Diskussion, damit alle das Halbfinalspiel Deutschland gegen Spanien sehen können. Mit der Mehrheit aus CDU, FDP und Teilen der Grünen wurde der NPD-Antrag angenommen, was die NPD bundesweit und auf allen Kanälen auskostete. Gerrit Große (Die LINKE), deren Redebeitrag so verhindert wurde, legte anschließend ihr Kreistagsmandat nieder, denn die betreffenden Fraktionen handelten entgegen der 2008 getroffenen Abmachung, Anträge der NPD grundsätzlich abzulehnen. Nun werden Stimmen laut, dass sich längst nicht mehr all in Oberhavel daran halten würden. In der Stadtverordnetenversammlung von Oranienburg, in der Detlef Appel ebenfalls sitzt, gibt es bei Reden von ihm hin und wieder Applaus und Verordnete der CDU sieht man im netten Plausch mit dem NPD-Mann. Ein effektiver Kampf gegen Neonazis in den Parlamenten sieht anders aus.