Sommerschlussverkauf gibt es auch für Nazis: in Essen, Nürnberg, Halle, Magdeburg, Erfurt, Dresden, und in Berlin sogar zweimal. Die Rede ist von „Thor Steinar“-Kleiderläden.
Die Modemarke „Thor Steinar“ ist anders als andere Labels. Sie ist nicht zufällig bei Neonazis so beliebt. „Thor Steinar“ ist eine Marke, die genau der modernen Strategie der Neonazis entspricht. Seit der Registrierung der Marke im Jahr 2002 werden auf den Anziehsachen verschiedene völkische Symbole und Runen abgebildet. So zieren Schriftzüge wie „Beharrlich und Furchtlos“ die Kleidung oder auf einem sommerlichen gelben T- Shirt versteckt sich hinter Strand und Palmen ein Kriegsschiff. Das passt zur Namensgebung. „Thor“ ist der Name des germanischen Donnergottes, „Steinar“ kann als Anspielung auf den SS General Felix Steiner gedeutet werden.
Wer die Hintergründe der Marke nicht kennt, könnte einen „Thor Steinar“-Laden für ein norwegisches Outdoorgeschäft halten. Windjacken, Sweatshirts und Hosen gibt es nicht nur für Männer und Frauen, inzwischen wird auch eine eigene Modelinie nur für Kinder angeboten. Bewusste „Thor Steinar“ Träger möchten sich völlig normal in der Mitte der Gesellschaft bewegen können. Das Schema, nach dem die Standorte für die Läden ausgewählt werden, passt dazu nur zu gut: Am liebsten zentral und gut sichtbar mitten in der Innenstadt. Ein kurzer historischer Abriss aus Berlin verdeutlicht den Werdegang solcher Geschäfte.
Im Einkaufszentrum „Berlin Careé“ existierte ab 2005, relativ unbekannt, ein auf „Thor Steinar“ spezialisiertes Geschäft. Nach öffentlichen Protesten wurde der Mietvertrag zum 31. Januar 2007 nicht verlängert. Das Geschäft eröffnete aber kurze Zeit später nur wenige hundert Meter Luftlinie entfernt erneut in der Rosa-Luxemburg-Straße 18. Hier im Berliner Scheunenviertel haben ehemals viele Juden gelebt. Die 18 steht nach der Reihenfolge im Alphabet für die Initialen von Adolf Hitler und wird daher in der Naziszene oft als Code benutzt. Eine bewusst gewählte Provokation?
Nach der Ladeneröffnung gründete sich in Berlin-Mitte eine engagierte Bürgerinitiative, es wurde demonstriert und der Vermieter kündigte den Vertrag. Er sah sich getäuscht, da er vorher nicht darüber informiert wurde, was da in seinem Haus verkauft werden sollte. Dies bestätigten bereits Gerichte in erster Instanz. Doch bis die Betreiber endgültig ausziehen müssen, vergeht noch eine Weile, da das gerichtliche Verfahren andauert. Auch im alternativen Berliner Szenekiez Friedrichshain in der Petersburger Straße 94 existiert seit Februar 2009 ein Laden, der fast ausschließlich „Thor-Steinar“-Kleidung anbietet. Wie die meisten der „Thor Steinar“-Geschäfte benannt nach einer Norwegischen Stadt – in diesem Fall „Tromsö“. In diesem Haus befand sich während der Zeit des Nationalsozialismus ein Folterkeller der SA, und der Stadtteil führt – alternativ geprägt hin oder her – ganz nebenbei die traurige Liste rechter Gewalt in Berlin an. Zufall?
Auch in diesem Fall engagieren sich die Bürger gegen dasGeschäft. Doch was kommt als nächstes? Die Läden bestehen wenige Jahre, um dann im Fall einer schlussendlichen Kündigung einige Straßen weiter gleich wieder neu zu eröffnen. Mit „EriK and Sons“ verfolgt bereits eine zweite Marke genau die gleiche Strategie. Lohnt es sich überhaupt dagegen aufzustehen und lautstark zu protestieren?
Die Antwort kann nur „Ja!“ lauten. Die Zivilgesellschaft muss sich jeglicher Ausbreitung rechtsextremer Erscheinungen vehement entgegenstellen. Es gilt weiter über die Hintergründe der Marke „Thor Steinar“ aufzuklären, damit kein Vermieter mehr auf diese „adretten jungen Männer“ und kein Mensch auf diese scheinbar harmlose Kleidung hereinfällt. Das Engagement vieler Menschen in Berlin und darüber hinaus bestärkt mich und viele andere in dieser Arbeit. Wie oft diese Läden schließen und seueröffnen werden, weiß niemand. Aber ich bin mir sicher: Die Zivilgesellschaft behält den längeren Atem.