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Luxemburg: Keine Grundrechte für Karim Naciri?

 

"Zerstört alle Gefängnisse"- Protestbanner am Zaun des Abschiebegefängnisses in Luxemburg-Findel © Max Bassin
„Zerstören wir alle Gefängnisse“- Protestbanner am Zaun des Abschiebegefängnisses in Luxemburg-Findel © Max Bassin

Einen Tag vor Ablauf einer sechsmonatigen Frist soll Karim Naciri, der sich derzeit in luxemburgischer Abschiebehaft befindet, am Donnerstag nach Marokko ausgewiesen werden. Nach Ablauf der Frist hätte er am Freitag die Haftanstalt mit einer Duldung verlassen können. Derzeit sind noch zwei Gerichtsverfahren offen, deren Urteile Auswirkungen auf die geplante Abschiebung haben können. In einem Fall soll das Urteil jedoch erst nach seiner geplanten Abschiebung ergehen. Würde diese vollzogen, dürfte er innerhalb der nächsten drei Jahre nicht mehr in die EU einreisen und könnte somit seine kleine Tochter nicht mehr besuchen. Der 33-jährige Naciri hat fast 18 Jahre in Europa gelebt.

Ein Bericht von Max Bassin und Philipp Reichert

„Nächste Woche werde ich, wie ein Stück Dreck aus dem Land geworfen“, sagt der gebürtige Marokkaner im Gespräch mit einer „keen ass illegal“-Aktivistin. Im Alter von 15 Jahren floh er aus Marokko auf der Suche nach einem besseren Leben nach Europa. Sein Weg führte ihn über Frankreich und Belgien nach Luxemburg. Da er nicht im Besitz einer Arbeitserlaubnis war und ihm somit eine legale Arbeitsmöglichkeit verwehrt blieb, sicherte er sich seine finanzielle Existenz durch den Handel mit Drogen. Infolgedessen wurde Naciri zu einer mehrjährigen Haftstrafe, die teilweise zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.

Nach Beendigung seiner Haft folgte eine Inhaftierung im Abschiebegefängnis in Luxemburg-Findel, wo die Insassen auf die Klärung ihres Aufenthaltsstatus warten. Hierfür haben die Behörden sechs Monate Zeit. Verstreicht diese Frist und ist der Verbleib der Flüchtlinge weiterhin ungeklärt, müssen die Flüchtlinge freigelassen werden. „Sie dürfen also das Abschiebezentrum verlassen, befinden sich aber nach wie vor in einer irregulären Situation“, erklärt der „keen ass illegal“-Aktivist Claude Frentz. „De facto kommt es dann zu einer Duldung, außer die betroffene Person verstößt gegen die ‚öffentliche Ordnung‘ und wird deshalb wieder in das Abschiebegefängnis gesteckt“. So erging es kürzlich einem anderen Flüchtling, der drei Mal in Folge die maximale Haftzeit von sechs Monaten absitzen musste.

Obwohl Naciri Vater einer zwei Jahre alten Luxemburgerin ist, soll er einen Tag vor seiner Freilassung nach Marokko abgeschoben werden. „Das sieht nach Schikane aus“, sagt eine „keen ass illegal“-Aktivistin, die mit dem Betroffenen in Kontakt steht. Sein Anwalt sieht in der Trennung von Vater und Tochter Naciris Recht auf Familie verletzt. In einem Eilverfahren vor dem Vormundschaftsgericht versucht sich Naciri deshalb derzeit ein Besuchsrecht für seine Tochter zu erstreiten. Das Gericht habe an einem ersten Verhandlungstag „keine Bedenken geäußert und somit dürfte er auch ein Besuchsrecht zugesprochen bekommen“, ist sich sein Anwalt sicher. Doch bereits vor der endgültigen Entscheidung am 15. Juli soll Naciri am 4. Juli ausgewiesen werden. „Hier setzt sich die Verwaltung der Immigrationsbehörde über laufende juristische Verfahren hinweg und möchte Fakten schaffen“. Zusätzlich versucht sein Anwalt in einem zweiten Verfahren ein Bleiberecht für seinen Mandanten zu erstreiten. In Frankreich wurde Naciri bereits vor einigen Monaten ein Aufenthaltstitel in Aussicht gestellt, weswegen eine Ausweisung unverständlich scheint. Aufgrund seiner Inhaftierung in Luxemburg war es ihm jedoch nicht möglich, seine französischen Papiere zu erhalten. Offen bleibt, ob er seine Aufenthaltsgenehmigung bei erneuter Einreise nach Frankreich entgegen nehmen kann und somit einer Ausweisung nach Marokko entgeht. Zu einer erneuten Einreise wird es im Falle einer Abschiebung jedoch nicht kommen können.

In den nächsten zwei Tagen wird sich entscheiden, ob Karim Naciris Eilverfahren seine für Donnerstag geplante Abschiebung verhindern können. Der Fall Naciri zeigt nach Ansicht von Antirassismus-Aktivisten ein grundsätzliches Problem. „Für uns tritt unsere Regierung, aber auch die gesamte EU, die Menschenrechte mit Füßen, indem eine unerbittliche Abschiebemaschinerie, ein immer dichter werdendes Lagersystem für kriminalisierte Migranten und eine militarisierte Flüchtlingsabwehr etabliert wird“, so Frentz.