Nach den Schüssen auf vier Polizisten durch einen „Reichsbürger“ im fränkischen Georgensgmünd ist jetzt einer der Beamten seinen Verletzungen erlegen. Die Amadeu Antonio Stiftung kritisiert unterdessen eine Verharmlosung der „Reichsbürger“-Bewegung.
Es geschah, als Beamte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) im fränkischen Georgensgmünd das Haus eines 49-jährigen Jägers durchsuchen wollten. Der Mann gilt als Reichsbürger und war für die Behörden „nicht mehr zuverlässig“. Sie hatten deshalb seinen Jagdschein und seine Waffenbesitzkarte für ungültig erklärt, nun sollten ihm seine rund 30 Lang- und Kurzwaffen entzogen werden. Doch als die Beamten das Haus des Jägers betreten wollten, eröffnete er das Feuer. Ein 32-jähriger SEK-Beamter erlitt dabei so schwere Schussverletzungen, dass er am Tag darauf starb. Ein weiterer SEK-Beamter erlitt einen Durchschuss am Oberarm, zwei andere Polizisten wurden durch Glassplitter verletzt. Der Täter wurde festgenommen und wurde dem Haftrichter vorgeführt. Gegen ihn wird jetzt wegen versuchten Mordes ermittelt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte eine intensivere Überwachung der „Reichsbürger“-Bewegung durch Polizei, Verfassungsschutz und Sicherheitsbehörden an. Herrmann sagte: „Unser Ziel ist, allen Reichsbürgern, die legal eine Waffe besitzen, ihre Waffenerlaubnisse zu entziehen. Wer die deutsche Rechtsordnung ablehnt, der bietet keine Gewähr, ordnungsgemäß mit Waffen umzugehen“.
Gefährliche Verharmlosung als „Spinner“
Für die Amadeu Antonio Stiftung wies Jan Rathje auf eine beschleunigte Radikalisierung der „Reichsbürger“ hin. Viel zu lang sei das „reichsideologische Milieu“ und sein Gewaltpotenzial verharmlost worden. Stattdessen habe sich in der Vergangenheit der Glaube verfestigt, „diese Menschen seien lediglich „Spinner“, die man nicht ernst nehmen müsse und lediglich Spott verdienten“. Rathje verwies auch auf Ähnlichkeiten zu Teilen der Argumentation der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Die Partei erklärt in ihrem Grundsatzprogramm: „Heimlicher Souverän ist eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien“. Die Gewaltaufrufe gegen vermeintliche „Volksverräter“ auf Aufmärschen und im Internet seien in Georgensgmünd „erneut mit Taten beantwortet worden“.
Verbindungen zur extrem rechten Szene
Noch im Juli 2016 hatte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage von einem „angestiegen[en] Störerpotenzial der „Reichsbürgerszene“ gesprochen, in der aber „Verstöße gegen das Waffengesetz“ Einzelfälle seien. Mit Angaben zu Zahlen hält sich die Regierung bedeckt: „Aufgrund der Zersplitterung und Heterogenität liegen zur „Reichsbürgerszene“ keine belastbaren Gesamtzahlen zum Personenpotenzial vor“, heißt es in der Antwort. Vor vier Jahren hatte das Bundesinnenministerium die Zahl der offen Rechtsextremen innerhalb der „Reichsbürger“-Szene vorsichtig auf einen unteren dreistelligen Bereich geschätzt. Allein in Thüringen aber wurden Ende 2015 rund 200 Personen den so genannten „Reichsbürgern“ zugeordnet. Darunter seien „viele Neonazis mit ideologischen Verbindungen zur extrem rechten Szene und revisionistischen Weltbild“, teilte die Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, Katharina König, mit. Der Vorfall in Bayern habe genauso in Thüringen oder jedem anderen Bundesland auch passieren können. Der von „Reichsbürgern“ propagierte „Kampf für das deutsche Reich“ schließe einen „verantwortungsbewussten Umgang“ mit Schusswaffen aus.