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100 Neonazis, 2000 Gegendemonstranten in Leipzig

 

100 Neonazis, 2000 Gegendemonstranten in Leipzig
Christian Worch, langjähriger Rechtsextremist und Bundesvorsitzender der Kleinstpartei Die Rechte während der Abschlusskundgebung am Bayrischen Bahnhof © Paul Hildebrand

Mit martialischen Parolen sind am Samstag etwa 100 Neonazis durch Leipzig marschiert. Sie folgten einem Aufruf der rechtsextremen Kleinstpartei Die Rechte, deren Bundesvorsitzender Christian Worch den linksalternativen Süden der Messestadt für die „Nationalsozialisten von heute“ beanspruchte. Mehr als 2000 Gegendemonstranten protestierten lautstark gegen den Aufmarsch.

Die Situation erschien paradox: Während Michel Fischer seine Kameraden immer wieder zur „Disziplin!“ ermahnte, forderten diese mit erhobenen Fäusten den Nationalsozialismus ein und grölen „Nie wieder Israel“. Fischer als Vize-Landesvorsitzender in Thüringen und die anderen Funktionäre der Partei Die Rechte schienen die zuvor auf Facebook veröffentlichten „Internen Auflagen“ hingegen ernstzunehmen – kein Alkohol, keine Zigaretten und keine Jogginghosen – man wollte geordnet auftreten, die Provokationen sollten von den Gegendemonstranten ausgehen.

"Nationale Revolution": Auch autonome Nationalisten des Kampfbundes Nord-Ost marschierten am Samstag in Leipzig. Foto: Paul Hildebrand

Schon in den Aufrufen versuchte sich Die Rechte in seriösem Auftreten. Man wolle nicht provozieren, sondern nur Grundrechte wahrnehmen. Doch auch Transparente mit den vermeintlich unverfänglichen Stichworten „Heimat erhalten! Familien fördern! Zukunft gestalten!“ konnten den Schein nicht wahren. Die Redebeiträge der Landesvorsitzenden aus der ganzen Bundesrepublik strotzten vor martialischer Rhetorik und unverhohlenem Rassismus. „Die Überfremdung Deutschlands ist die Fortsetzung des Zweiten Weltkriegs mit anderen Mitteln“, sagte Philipp Hasselbach, Führungsfigur der Partei in Bayern, auf einer Zwischenkundgebung an der Deutschen Nationalbibliothek. 2014 gründete er, nach langjähriger Haftstrafe, den Landesverband in München und trat damit in Konkurrenz zum dortigen Ableger des III. Weges.

Philipp Hasselbach Landesvorsitzender in Bayern, während einer Zwischenkundgebung des Aufmarsches. Foto: Paul Hildebrand
Philipp Hasselbach Landesvorsitzender in Bayern, während einer Zwischenkundgebung des Aufmarsches © Paul Hildebrand

Für die Mitteldeutschen Verbände trat unter anderem Michel Fischer aus Thüringen an das Mikrofon. Während der Abschlusskundgebung nahm er Bezug zu „freien Kräften wie der Brigade Halle“, die bundesweit für den Aufmarsch mobilisierten und lehnte eine Distanzierung lautstark ab. Die Rechtsextremen aus Sachsen-Anhalt drohen in Sozialen Netzwerken immer wieder mit Aktionen gegen linke Strukturen und waren nach Informationen der Mitteldeutschen Zeitung am Überfall auf den Leipziger Stadtteil Connewitz Anfang 2016 maßgeblich beteiligt. Auch Sascha Krolzig, Landesvorsitzender aus Nordrhein-Westfalen, sucht den Kontakt zur Kameradschaftsszene und zu Autonomen Nationalisten. Er ist laut Impressum für das Magazin N.S. Heute verantwortlich.

Michel Fischer ist stellvertretender Landesvorsitzender der Kleinstpartei Die Rechte in Thüringen und einer der Funktionäre auf der Rednerliste. Foto: Paul Hildebrand
Michel Fischer (links) ist stellvertretender Landesvorsitzender der Kleinstpartei Die Rechte in Thüringen und einer der Funktionäre auf der Rednerliste © Paul Hildebrand

Die Eskalation blieb aus

Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz hat eine der elf Gegenveranstaltungen angemeldet. Hier die Mitorganisatoren Irena Rudolph-Kokot und Jürgen Kasek. Foto. Paul Hildebrand
Das Aktionsnetzwerk Leipzig nimmt Platz hat eine der elf Gegenveranstaltungen angemeldet. Hier die Mitorganisatoren Irena Rudolph-Kokot und Jürgen Kasek © Paul Hildebrand

Wer beim Kurznachrichtendienst Twitter die Diskussionen unter #le1803 verfolgte, stellte schnell fest: Leipzig war nervös. Zwischen Militanzdebatten und Verweisen auf die schweren Ausschreitungen am Rande eines ähnlichen Aufmarsches Ende 2015, geriet die von den rechtsextremen Parteikadern um Christian Worch erhoffte Provokation fast in den Hintergrund. Ein Großaufgebot der Polizei samt Wasserwerfern, Hubschraubern und Spezialeinsatzkräften trennte die Proteste voneinander. Das Fazit der Leipziger Sicherheitsbehörden fällt, trotz Steinwürfen in der Arthur-Hoffmann-Straße positiv aus. Insgesamt registrierte man 20 Straften gegen das Straf- und Versammlungsgesetz. Unter den rund 2000 Gegendemonstranten herrschte überwiegend friedliche Stimmung. Einzig auf der Straße des 18. Oktober flogen vereinzelt Stöcker und Böller, als die Rechtsextremen durch ein Spalier des Gegenprotests marschierten. Der Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz sprach im Interview mit Straßengezwitscher über seine Erwartungen an den Tag und zog eine erste Zwischenbilanz: