Mit dem Werk-Kodex hat die Neonazi-Szene ein neues Medium. Mit modernem Design will das Heft von NPD-Vorstand Tobias Schulz möglichst viele Gleichgesinnte ansprechen – Unterstützung kommt von 68er-Ikone Rainer Langhans.
Von Felix M. Steiner
Schon im Inhaltsverzeichnis blickt er den Lesern entgegen: Nickelbrille, weiße Locken, Bartansatz. Rainer Langhans, gealtertes Gesicht der 68er-Bewegung, steht Rede und Antwort im Interview, „exklusiv“, wie das Magazin Werk-Kodex wirbt. Weniger exklusiv die Themen, über die der 78-Jährige spricht: Ein Rückblick auf das Leben in der Kommune I mit einer immer eifersüchtigen Uschi Obermaier, dem Weg zur geistigen Erleuchtung, der Loslösung von Besitz.
Aufsehenerregend ist einzig das Umfeld, in dem sich Langhans auf acht Seiten äußert. Werk-Kodex ist eine neue Zeitschrift der Neonazi-Szene. Herausgegeben im Nordland-Verlag, der vom NPD-Bundesvize Thorsten Heise und dessen Frau Nadine verantwortet wird, will das Heft ein Magazin für „deutsche Metapolitik und Kultur“ sein und für „alle, die Deutschland lieben“.
Ein Kommunarde auf rechten Pfaden
Chefredakteur ist Tobias Schulz, der öffentlich unter dem Pseudonym Baldur Landogart auftritt und im Parteipräsidium der NPD für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Der Diplomdesigner sagt von sich selbst, er sei sein halbes Leben lang im „Nationalen Widerstand“ aktiv. Werk-Kodex solle ein „patriotisches Magazin“ sein, das „Inhalte für Volk, Land und Kultur optisch besonders anspruchsvoll in Szene setzt“.
Rhetorik, die so gar nicht zu Ex-Revoluzzer Langhans passen will – scheinbar. Doch Langhans gab schon vor etlichen Jahren anderen extrem rechten Publikationen Interviews. Dass er durch ein Gespräch mit einem Neonazi-Magazin die rechte Szene unterstützt, sieht Langhans nicht. Gegenüber dem Störungsmelder sagt Langhans, es sei falsch, nicht mit Rechten zu reden. „Ich halte das für demokratisch und Gesprächsverweigerung für Krieg.“ Im Gegenteil, er trete rassistischen Ideologien sogar entgegen, „wenn ich mich in einem rechten Magazin für Menschenrechte einsetze“.
„NPD in Auflösung“
Chefredakteur Schulz habe sich mit offenen Karten an ihn gewandt. Sich als „IT-Designer“ und „kulturell Interessierter“ vorgestellt und auch seine Parteimitgliedschaft nicht verschwiegen. „Er sagte mir, dass er zur NPD gehöre, die sich aber in Auflösung befände“, sagt der Alt-Kommunarde.
Dass sich das Magazin ganz unabhängig vom Inhalt mit ihm schmückt, kommt Langhans offenbar nicht in den Sinn. Schwerpunktthema der Erstausgabe ist das Thema Provokation. Ansonsten setzt sich das Heft mit moderner Gestaltung in Szene: verschiedene Druckverfahren, großformatige Bilder und grafische Elemente – rein optisch hat der Werk-Kodex nichts mit dem Muff eines alten Landser-Hefts zu tun. Die Macher streben nach einer Mischung aus Polit- und Lifestylemagazin.
Für Fabian Virchow, Leiter des Forschungsschwerpunkts Rechtsextremismus/Neonazismus an der Hochschule Düsseldorf, ist das keine Überraschung. Schon die Nationalsozialisten hätten viel im Bereich Publikationen mit „moderner“ Gestaltung ausprobiert.
Aufschwung der rechten Blätter
In den vergangenen Jahren hat die Presse am rechten Rand der Republik einen echten Aufschwung erlebt – nicht nur Onlinemedien, sondern auch klassische Printprodukte. Zu den neuen Publikationen gehören neben dem Compact-Magazin oder dem vor Kurzem erschienenen „neurechten“ Magazin Cato auch Blättchen wie Arcadi, das eher dem Umfeld der Identitären Bewegung zuzurechnen ist.
Neu am Konzept des Werk-Kodex sei vor allem „die strömungsübergreifende Themensammlung“, sagt Forscher Virchow. Der Schwerpunkt Provokation hingegen darf als alter Hut gelten. Seit mehr als zehn Jahren diskutiert die „Neue Rechte“ das Thema, sonderlich neue Aspekte finden sich im Heft kaum.
Stattdessen steckt in den inhaltlichen Leitlinien offenbar knallharte Neonazi-Ideologie: So werde es in seiner Publikation kein „NS-Bashing“ geben, sagte Chefredakteur Schulz in einem Interview auf einem rechtsextremen YouTube-Kanal. Ähnlich verhalte es sich mit dem „sicherlich nicht einfachen Themenkomplex, was ein bestimmtes auserwähltes Volk anbelangt. […] Das Thema grenzen wir also völlig aus“, teilte er mit.
Das Heft für Nazis mit Bildung
Stattdessen im Inhalt zu finden: eine Diskussion über Tätowierungen, über Kleidungsstile und rassistische Ausführungen zu einem „Ethnostaat“. Neben Beiträgen von bekannten NPD-Politikern wie Jürgen Gansel oder Sascha Roßmüller finden sich Interviews mit dem NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt oder Frank Rennicke, dem Haus- und Hofliedermacher der Neonazi-Szene. Daneben schreiben aber auch neurechte Autoren wie Baal Müller, der viele Jahre für die Junge Freiheit tätig war.
„Von dem Magazin dürften sich weniger klassische ‚Skinheads‘ angesprochen fühlen, sondern eher ein bildungsqualifiziertes Publikum der extremen Rechten“, schätzt Sozialwissenschaftler Virchow. Das findet sich offenbar in allen Strömungen der Szene: Laut Chefredakteur Schulz gingen bisher Bestellungen aus der „klassischen Rechten“ über die Identitäre Bewegung bis zur AfD beim Verlag ein.
Außerhalb der braunen Blase ist die große Kontroverse indes ausgeblieben. Tatsächlich ist das ganze Magazin wie das Interview mit Langhans: Was Aufregerpotenzial zu haben scheint, bietet tatsächlich wenig Neues. Die Provokation ist nicht gelungen.
„Nazis mit Bildung“
Das ist ein Widerspruch in sich.
Kein Mensch mit einem Mindestmaß an historischer, politischer, juristischer Bildung kann nach 1945 mehr Nazi sein.
So ist der Störungsmelder. Meldet was und gibt dann zu, es war nichts. Wie unendlich trist!
Wenn ein Magazin damit wirbt „für alle, die Deutschland lieben“ zu sein, dann sollte man immer vorsichtig sein, für wen man sich da vor den Karren spannen lässt.
Der Langhans war schon immer ein Spinner.
Es gibt die Idee, dass sich Menschen aus den politischen Rändern in gewissen Eigenschaften ähneln und sich einander insgesamt näher stehen, als es die Programmatik ihrer politischen Strömung eigentlich vermuten lassen würde.
Um es auszusprechen: Hardcore- Kommunisten und Neonazis haben ggf. mehr gemeinsam als CDU und CSU, obwohl sie von entgegen gesetzten Enden des politischen Spektrums kommen. Insofern wundert es mich nicht, wenn der „Oberkommunarde“ Langhans nun in politisch rechtsaußen liegenden publizistischen Gefilden tummelt.
“ Dass er durch ein Gespräch mit einem Neonazi-Magazin die rechte Szene unterstützt, sieht Langhans nicht. Gegenüber dem Störungsmelder sagt Langhans, es sei falsch, nicht mit Rechten zu reden. „Ich halte das für demokratisch und Gesprächsverweigerung für Krieg.“ “
Das sehe ich genauso. Es gehört schon etwas Mut und Verstand dazu, sich mal tatsächlich mit den Ansichten des Gegenüber auseinander zu setzen und diese durch sachlich fundierte Argumente zu entkräften – oder zumindest den eigenen Standpunkt logisch zu untermauern.
Die Alternative zum Dialog kann man ja derzeit wunderbar in der Politik anhand des Umgangs mit der AfD beobachten. Anstatt mal auf die Vorschläge der AfD einzugehen bzw. diese zu entkräften, wird einfach immer direkt die „Nazikeule“ geschwungen oder man redet erst gar nicht mit den entsprechenden Menschen. Ebenfalls beliebt ist natürlich die Erklärung, dass ein Vorschlag sowieso direkt „ungültig“ ist, da er ja von der AfD, ergo also von „Nazis“, komme und somit keine Gültigkeit besitzt – was im übrigen höchst undemokratisch ist, da jemanden aufgrund seiner politischen Zugehörigkeit das Recht auf Meinung abgesprochen wird.
Von daher: Ich finde es richtig den Dialog mit den Rechten zu suchen um Ihre Ansichten zu entkräften.
„Dass sich das Magazin ganz unabhängig vom Inhalt mit ihm schmückt, kommt Langhans offenbar nicht in den Sinn. “
Hier sehe ich ganz klar den Leser in der Verantwortung. Entscheidend ist es doch, Informationen nicht nur zu konsumieren, sondern sich auch anhand dessen eine differenzierte Meinung Bildung zu können.
Er scheint erkannt zu haben, daß das Pendel der 68er zu weit auszuschlagen scheint und bedient nun als Paradiesvogel der Beliebigkeit den Rückschlag.
Wie oft muss der Versuch noch scheitern, ausgerechnet die, die sich von akademischen Eliten „abgehängt“ fühlen, durch intellektuelle und argumentative Ansprache zur Einsicht bringen zu wollen?
„Was Aufregerpotential zu haben scheint, bietet tatsächlich wenig Neues. Die Provokation ist nicht gelungen.“
Warum wird denn vom Autor hier „Provokation“ vermutet? Ich sehe hier nur ein Blättchen für den kulturell gebildete (ggf rassismusaffine) Nationalisten. Wo steckt die präsumierte Provokation denn überhaupt?
Wollen denn andere Zeitschriften immer „provozieren“?
Werden die Alt-Linken wirklich plötzlich rechts oder werden sie nur als rechts betrachtet, weil sich die Links-Rechts-Definition verschoben hat?