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Der Störungsmelder on tour – Im östlichsten Teil Deutschlands

 

In Sachsen, kurz vor der tschechischen Grenze, da wo die Ortsschilder zweisprachig sind, zwischen Löbau, Zittau und Bautzen, von Dresden eineinhalb Autostunden entfernt liegt der östlichste Teil Deutschlands. Hier, in einer idyllischen Landschaft befindet sich das Örtchen Ebersbach. Felder, Wiesen, Wälder – und ganz offensichtlich jede Menge Rechtsextreme.

Die ersten zwei Schulbesuche des „Störungsmelder on tour“ führten uns in die Oberlausitz in Sachsen. Klaas Heufer-Umlauf und Markus Kavka besuchten gemeinsam mit Gesicht Zeigen! die Andert-Mittelschule in der Nähe von Löbau.

„Das ist der östlichste Teil Deutschlands“ hörten wir immer wieder von Schüler/innen und Lehrer/innen. Und: Dass unser Störungsmelder on tour Besuch wirklich ein Highlight sei. Denn so etwas gibt’s hier nicht so oft – Es kommen nicht viele „Nichteinheimische“ in diese Gegend.

Rechte Strukturen sind präsent, ein Thema in dieser Region. Neben Kameradschaften und Musiknetzwerken gibt es den Nationalen Jugendblock (njb), ein eingetragener Verein, der rechte (Freizeit)Angebote für Jugendliche bereithält. Anfang der 90er Jahre erhielt der Verein noch Unterstützung vom Jugendamt und es gelang, ein leerstehendes Haus für seine Zwecke zu vereinnahmen. Erst massive Proteste von Gegeninitiativen verhinderten, dass der njb einen Nutzungsvertrag für das Vereinshaus bekam.

In dieser Zeit gründete sich auch die Initiative „Augen auf – Zivilcourage zeigen“, die sich damals mit einem Festival engagierte. Bei unserem Schulbesuch begleiten uns vier MitarbeiterInnen. Die Initiative will die Bevölkerung für rechte Tendenzen in der Region und Alltagsrassismus sensibilisieren und engagiert sich für Zivilcourage. Die Initiative kämpft darum mit ihrer Arbeit weitermachen zu können und braucht dringend Unterstützung für die Arbeit „von unten“!

Mit Unterstützung von „Augen auf“ konnten wir die drei neunten Klassen der Mittelschule für einen Projekttag besuchen. In zwei Gruppen diskutierten die Musik-TV-Moderatoren mit jeweils 30 Schüler/innen über ihre Erfahrungen mit und Meinungen zu Rechtsextremismus. Ein Thema hatten sich die Jugendlichen explizit gewünscht: Rechte Symbole, Codes und Lifestile. Woran kann man „Rechte“ eigentlich erkennen? Was steckt hinter Marken wie Thor Steinar oder Fred Perry? Gemeinsam mit den Schüler/innen klärten wir, welche Codes Rechte verwenden und welche Ideologien sich hinter den Symbolen verstecken.

In einer Vorstellungs- und Kennenlernrunde fragten wir die Schüler/innen, was sie an dem Thema „Rechtsextremismus“ interessiert, welche Erfahrungen sie gemacht haben und was sie zu dem Thema denken. Schnell wurde klar, dass Rechtsextremismus in der Oberlausitz durchaus als „normal“ wahrgenommen wird.

Die Alltäglichkeit, mit der „Rechts sein“ in den Alltag der Jugendlichen sickert, ist frappierend: Die meisten Jugendlichen hatten schon etwas „damit zu tun“ – vor allem über Musik, die sie bei Freunden gehört haben oder selbst gern hören. Das erscheint hier ganz normal. Einige haben Bekannte, die sich als rechts verstehen, andere wissen, wer in ihrem Alter zu den Rechten gehört oder liebäugeln selbst mit der Szene. Und natürlich es gibt vielerlei Berichte von Bedrohungen und Gewalt gegen alternative oder linke Jugendliche.

Und was halten die Schüler/innen von der Situation? „Naja, nicht alles was die sagen, ist falsch“ meint ein Mädchen. Sie sei selbst durchaus auch ein bissen rechts. Sie findet, dass das mit den Ausländern auch ein Problem sei – dass die sich nicht anpassen. Natürlich gibt es Schüler/innen, die sich deutlich gegen rechts positionieren. Dieses Thema wird in der Klasse intensiv diskutiert. Die Schüler/innen überlegen, wie es für sie wäre, wenn sie in einem fremden Land leben wollten. Was würden sie beibehalten, was aufgeben? Außerdem gibt ja immer mehr Deutsche, die auswandern. In Fernsehsendungen wird darüber berichtet. Es wird deutlich, dass die Dinge oft nicht so einfach zu erklären oder zu lösen sind. Bei genauer Betrachtung erscheinen auch den Jugendlichen einfache Lösungen eher als Populismus denn als realistische Veränderungsvorschläge. Im Anschluss sprechen wir noch einmal darüber, wer überhaupt gemeint ist mit „den Ausländern“ und auch darüber, wie schwierig es für Menschen aus armen Ländern ist, in Deutschland länger zu bleiben, überhaupt einzureisen oder einzuwandern.

Die Diskussion wird sehr lebendig und von verschiedenen Positionen aus geführt. Es gelingt uns, ein Klima zu schaffen, in dem Meinungen geäußert werden können, ohne dass gleich mit dem Holzhammer dagegen gehalten wird. Gerade das finden die Jugendlichen gut und im Unterricht ist solches oft nicht möglich. Und es geht ihnen nicht mehr um gegenseitige Provokation, sondern um Austausch und auch um Informationen.

In der Pause drängen sich Schüler/innen und Lehrer/innen aus anderen Klassen in den sowieso schon vollen Raum. Eine Schülerin spricht uns an: Sie möchten das Projekt auch in ihrer Klasse machen. Ob wir nicht bald noch einmal in Schule kommen können. Auch andere LehrerInnen sind stark interessiert: An den beiden Moderatoren, die bereit sind, mit Jugendlichen über das schwierige Thema zu sprechen. Aber auch an der Arbeit von Gesicht Zeigen!, „Augen auf“ und an dem Projekt „Störungsmelder on tour“.