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Ein Dorf mit Jungs fürs Grobe

 

Tagesspiegel-Autor Dieter Hanisch beobachtet in dem winzigen mecklenburgischen Ort Jamel, wie ein Rechtsextremist mit Gesinnungsgenossen feiert – und die Polizei keinen Anlass zum Einschreiten sieht.

An der Bundesstraße 105 zwischen Wismar und Grevesmühlen in Höhe des Ortes Gressow haben sich drei Polizeifahrzeuge aufgestellt. Sie beobachten die Zufahrt zum zwei Kilometer entfernten Dorf Jamel, das mit seinen 40 Bewohnern ein Ortsteil von Gägelow ist. Das Interesse gilt einer Familienfeier des örtlichen Neonaziführers Sven Krüger, der seit 2009 für die NPD im Kreistag von Nordwestmecklenburg sitzt und zu seiner Eheschließung mit Jeanette Kindler, im Vorjahr ebenfalls NPD-Kandidatin, weit über 300 Gesinnungsgenossen begrüßt. Sie sind gar aus Holland und der Schweiz angereist.

Bereits 1992 ist der heute 35-jährige Krüger erstmals mit braunem Gedankengut in Erscheinung getreten, als er am 20. April in Jamel 120 Neonazis zu einer Hitler-Feier begrüßte. Seitdem ist er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten, hat auch in Haft gesessen. In den vergangenen Jahren dann der Wandel: Aus dem gewaltbereiten Skinhead ist der Geschäftsmann und zuletzt auch der Politiker geworden. Er betreibt eine Abrissfirma mit dem Zusatz „Die Jungs fürs Grobe“. Auf dem Firmenlogo werden dabei die Konturen eines Davidsterns zertrümmert. Jahrelang sind in Jamel Mitbewohner von Angehörigen der rechten Szene mit Drohungen und Brandstiftungen eingeschüchtert worden, ohne dass Polizei und Justiz gebührend in Erscheinung getreten sind. „Daraufhin sind viele weggezogen, während sich offenbar Freunde Krügers niedergelassen haben“, erzählt Birgit Lohmeyer, die vor sechs Jahren einen Forsthof am Rande des Dorfes erworben hat. Am Wochenende zuvor hat es dort zum vierten Mal ein Rockkonzert für Demokratie und Toleranz gegeben, bei dem zwei Neonazis auf Besucher losgegangen sind, so dass die Polizei anrücken musste.

Diesmal rockt es bei Krüger, diesmal hat die Polizei Einsatzkräfte in Bereitschaft – ganz im Gegensatz zum 19. Juni, als in Jamel 250 Neonazis die Sommersonnenwende feierten und die Polizei es bei wenigen Streifenfahrten beließ. Wie im Juni heißt es auch jetzt, dass die Polizei nicht einschreiten musste, weil nichts strafrechtlich Relevantes vorgefallen sei.

Nachmittags erklingt für das Hochzeitspaar in einem Großzelt auf Krügers Grundstück Blasmusik, ehe am Abend eine Band aus Güstrow („Helle und seine Racker“) bis in den Morgen die Lautstärkeregler bei ihrem Rechtsrock tüchtig hochzieht, unterbrochen nur von einem Mini-Feuerwerk. Zu Gast ist auch der NPD-Landtagsabgeordnete Stefan Köster.

Der zuständige Bürgermeister Uwe Wandel (parteilos) beklagt sich über offenkundig rechtsfreie Räume im Dorf. Er wirft den politisch Verantwortlichen vor, Jamel längst aufgegeben zu haben. Der Staatsschutz verdächtigt Krüger nun, verantwortlich zu sein für im Land geklebte Plakate, auf denen Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) beleidigt wird. Am vergangenen Donnerstag rückten die Beamen an und durchsuchten Krügers Haus. Gefunden wurden bei der Razzia von Luftdruckpistolen durchlöcherte Zielscheiben mit dem Konterfei prominenter Nazigegner wie etwa der Schweriner Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) oder der Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch.