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NPD eröffnet neues Neonazi-Zentrum in Thüringen

 

Claudia R. ist sauer, lauthals schimpft sie über den „ganzen Nazi-Mist da drüben“. Da drüben – das ist für die 45-jährige Verkäuferin aus Bad Langensalza die gegenüberliegende Straßenseite, mit dem „Nazi-Mist“ meint sie das „Europa-Bürohaus“ im Industriegebiet des Kurortes. An dem Haus weht die NPD-Fahne, in den Fenstern hängen Plakate der rechtsextremen Partei. Nach jahrelangem Leerstand hat sich die NPD Thüringen in dem vierstöckigen Gebäude eingemietet, ein Bürgerbündnis aus Vereinen, Initiativen und Parteien befürchtet einen drastischen Anstieg rechtsextremer Aktivitäten.

Der neue Geschäftsstellensitz der NPD Thüringen

Bereits vor zwei Jahren hatte die NPD Verhandlungen über den Erwerb des weißen Flachdachbaus aus DDR-Zeiten angekündigt, der Preis für das sanierungsbedürftige Gebäude lag damals bei rund 300.000 Euro. Der medienwirksam angekündigte Kauf platzte, nachdem er sich als Deal mit den Eigentümern entpuppte, um die Stadt zum Hauskauf zu drängen. Doch die rechtsextreme Führungsriege setzte die Verhandlungen mit den Eigentümern in aller Stille fort mit der Hoffnung auf einen Vertragsabschluss, bevor das Vorhaben öffentlich werden würde. Nach ersten Medienberichten war die NPD im Zugzwang und stellte ihr Projekt auf einer inszenierten Pressekonferenz im Bürohaus vor.

Namenlose Investoren, unbekannte Kaufpreise und 1.600 qm Fläche

Der Landesvorsitzende Frank Schwerdt wirkte erleichtert: auf der Suche nach einem neuen Geldgeber sei die NPD nun fündig geworden. Doch anders als angekündigt blieb der Investor dem Termin im neuen Geschäftszimmer fern. Landesgeschäftsführer Patrick Wieschke begründet das Fehlen mit der Furcht vor „Willkürmaßnahmen“, wenn der Name vor dem Vertragsabschluss bekannt werde. Nicht nur über den ominösen Geschäftsmann schweigt die Führungsriege, auch über den Kaufpreis spricht sie nicht mit der Presse.

Frank Schwerdt und Patrick Wieschke (v.l.n.r.)

Deutlich mehr Worte verliert Schwerdt, wenn er über die Möglichkeiten spricht, die das 1.600 qm große Gebäude bietet. Erste Termine für Liederabende mit „nationalen Musikern“ in dem ehemaligen Kantinenraum seien bereits festgezurrt, in wenigen Wochen stehe die erste Mitgliederversammlung des örtlichen NPD Kreisverbandes in den neuen Räumen an. Die auf einem Schild am Haus angegebene Parteizeitung „Deutsche Stimme“ und der rechtsextreme „Germania Versand“ haben ihre Umzugspläne nach Bad Langensalza bereits aufgegeben, anders als der „Materialdienst“ der Bundes-NPD. Sein Lager soll im Keller untergebracht werden, das Büro werde im ersten Stock eingerichtet. Eine Tür weiter wird Wieschke seinen Job als Geschäftsführer verrichten. In den benachbarten Büroräumen soll die Redaktion der NPD Zeitung „Nordthüringen Bote“ die Arbeit der anderen Regionalblätter koordinieren, auch das rechtsextreme Videoprojekt „Volksfront Medien“ sei angefragt. Im zweiten Obergeschoss sollen Übernachtungsmöglichkeiten für bis zu 30 Gäste entstehen, außerdem werde hier der Tagungsraum eingerichtet, erklärt Wieschke bei der Hausführung. Unter dem Flachdach soll das Haus die Kanzlei eines NPD-nahen Anwaltes beherbergen, die Anfrage laufe noch. Gleiches gelte für „nationale Unternehmen und Versände. In dem neuen Domizil der NPD-Geschäftsstelle sollen nicht nur Schulungen, Konzerte, Landesparteitage ohne Störungen stattfinden, Schwerdt erhofft sich nach eigenen Angaben „eine Nutzung über die NPD hinaus“.

Bündnis befürchtet Stärkung der Noenazi-Szene

Protest vor dem Bürohaus

Genau diese Nutzung bereitet dem Bürgerbündnis gegen Rechtsextremismus in Bad Langensalza Sorgen. Sei der Kurort in in der Vergangenheit von rechtsextremen Aktivitäten verschont geblieben, werde die Szene durch das neue Neonazi-Zentrum stärker werden, heißt es vor Ort. Auch für den Einfluss der Neonazis auf die Kommunalpolitik könne dies Folgen haben: bei Kommunalwahlen in Bad Langensalza hatte es für die NPD bislang für keinen Sitz gereicht. Sollte das neue Zentrum in der geographischen Mitte Deutschlands weitere Neonazis anziehen, könnte sich das ändern, befürchten die Bündnispartner. Auch die „Mobile Beratung in Thüringen für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ (Mobit) warnt vor den Folgen des angekündigten Hauskaufs. Das Bürohaus in Langensalza sei eine weitere Immobilie in der Hand der rechtsextremen Szene in Thüringen, von der aus die Neonazis ihre Aktivitäten entfalten können. Es reihe sich in eine Reihe von Immobilien ein, die Thüringen für Neonazis zunehmend attraktiver machen. Neben dem „Schützenhaus“ in Pößneck und der „Erlebnisscheune“ in Kirchheim wäre das Bürohaus das dritte Veranstaltungs- und Versammlungszentrum in Thüringen. In diesem Zusammenhang hatte Mobit vor einer „weiteren Etablierung Thüringens als zentral gelegenes Musik- und Festivalland“ gewarnt. Auch bei rechtsextremen Aktivitäten in Thüringen gebe es keine Entwarnung: Angesichts von 412 registrierten Aktivitäten im vergangenen Jahr spricht Mobit von einem „besorgniserregenden Höchststand“.