Bereits zum zehnten Mal jährte sich das rechtsextreme Festival „Rock für Deutschland“ in Gera. Seit 2003 pilgerten Jahr für Jahr teils tausende Neonazis zu dem Event. Rund 700 Rechtsextreme feierten am Samstag auf dem Bahnhofsvorplatz der ostthüringischen Stadt und stellten ihre menschenverachtende Ideologie offen zur Schau. Rund 2.000 Menschen demonstrierten gegen die Veranstaltung und zeigten, dass die braunen Besucher alles andere als erwünscht waren.
Feiern mit der Wehrmacht
„Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht“ schallt es wieder und wieder über den Bahnhofsvorplatz in Gera und hunderte strecken ihre Fäuste in die Luft und schreien mit. Viele von ihnen haben verbotene Symbole auf der Kleidung und teils auf der der nackten Haut mit Klebeband verdeckt.Andere agieren ungeniert mit ihrer Ideologie: „NAZI“ prangt in großen Buchstaben auf dem T-Shirt eines Besuchers.
Ohnehin macht die ungemähte Wiese vor dem Bahnhof eher den Eindruck eines Laufstegs für den Wettbewerb um die menschenverachtendste T-Shirt-Aufschrift und die größte Sammlung an rechtsextremen Szeneklamotten. Einige schlendern mit vollen Einkauftüten von Stand zu Stand, um ihre Sammlung von einschlägiger Kleidung weiter zu vergrößern. In Gera zeigt sich die konsumorientierte rechtsextreme Subkultur in Reinform.
Die NPD und ihr Umfeld
Angemeldet wurde das Festival vom stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden und Stadtrat in Gera, Gordon Richter. Schon auf der offiziellen Homepage des Festivals heißt es auch dieses Jahr wieder trotzig: „Deutschland lässt sich nicht verhindern.“ Das „Rock für Deutschland“ ist der Höhepunkt der diesjährigen rechtsextremen Festivalsaison in Thüringen. Neben dem „Eichsfelder Heimattag“ und dem „Thüringentag der nationalen Jugend“ ist es die dritte und die größte Rechtsrock-Veranstaltung im Freistaat. Die NPD braucht die Veranstaltungen, um ihr aktionsorientiertes Umfeld zu bedienen und nicht zuletzt auch, um Geld in die klammen Kassen zu spülen. So verwundert es nicht, dass man auch hier nicht an Radikalität spart. So prangt im Bühnenhintergrund groß das Transparent des „Thüringer Heimatschutzes“, welches seit der Aufdeckung der Taten der „Zwickauer Terrorzelle“ auf zahlreichen Bildern zu sehen ist. Ist es doch genau der Dunstkreis, in dem die späteren Rechtsterroristen Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe ihren politischen Nährboden fanden. Von einer propagierten „seriöser Radikalität“ oder „Mitte des Volkes“ will an diesem Samstag von den Besuchern des „Rock für Deutschland“ wohl niemand etwas wissen. Aufgespannte Planen am Rand des Geländes sollen Journalisten vom Fotografieren abhalten, einer wird angespuckt, ein anderer bedroht. Von der „neuen Offenheit“, die Patrick Wieschke seit seiner Wahl zum neuen Landesvorsitzenden in Thüringen versucht umzusetzen, ist hier wenig zu spüren.
Die Politik unter Druck?!
Mit 700 Neonazis waren dieses Jahr wieder mehr rechtsextreme Besucher beim „Rock für Deutschland“ anwesend als noch 2011, wo es nur rund 550 nach Gera verschlug. Auch die Veranstalter befürchteten im Vorfeld offenbar rückläufige Teilnehmerzahlen und köderten auf der Homepage mit Geschenken: „Für die ersten 1000 Besucher gibt es eine Frei CD mit Liedern von Wiege des Schicksals, Fight Tonight, Exzess, Projekt Vril und Frontalkraft“. Fast 300 dieser CD´s dürften also noch übrig sein. Im Jahr 2009 lag die Zahl der angereisten Neonazis noch bei weit über 3.000, wovon man auch dieses Jahr immer noch weit entfernt ist. Aber vor allem eine Gruppe ist merklich größer geworden; die Zahl der Gegendemonstranten. Waren es im Vorjahr noch 1.000 Nazigegner, konnte die Zahl nun mehr als verdoppelt werden. Sogar die politische Spitze Thüringens ließ es sich nicht nehmen, in Gera die Demonstranten zu unterstützen. Neben der Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) und der Sozialministerin Heike Taubert (SPD) verschlug es auch Innenminister Geibert (CDU) nach Gera. Die Anwesenheit des Thüringer Innenministers stieß allerdings nicht bei allen Demonstranten auf Zustimmung. Geibert steht derzeit wegen der schleppenden Aufarbeitung der massiven Ermittlungspannen des Thüringer Verfassungsschutzes stark in der Kritik und hatte erst vor wenigen Tagen den Chef der Behörde entlassen. An die fehlerhafte Arbeit des Geheimdienstes erinnert in Gera das Transparent des „Thüringer Heimatschutzes“ auf der Rechtsrock-Bühne. Ein fast schon trotziges Symbol der Neonazi-Szene im Ursprungsland des „NSU“ für ihre Verbundenheit mit den lang gewachsenen militanten Strukturen.
Eine Bildergallerie findet sich bei den Kollegen auf publikative.org.