Ich bin eigentlich ständig auf Stehempfängen und Stehpartys. Das bringt mein Leben irgendwie so mit sich. Die Medien- und Geschäftswelt feiert und netzwerkt im Stehen. Im Gegensatz zu Wolfgang Schäuble meide ich sie nicht, sondern mache sie mir einfach barrierefrei.
Letztes Wochenende war ich auf einer Geburtstagsparty eingeladen. Es gab ein paar Stühle und Tische, aber die meisten Leute standen. Ich habe das gemacht, was ich immer in diesen Situationen tue: Ich schnappte mir die Leute, mit denen ich mich unterhalten wollte und setze mich mit denen irgendwo hin. Und umgekehrt, die Leute, die mich sprechen wollten, holten sich einen Stuhl und setzten sich zu mir.
Ich war noch nie irgendwo, wo es keine Stühle gab – und wenn sie jemand aus einem anderen Raum holen muss. Aber dann frage ich danach.
Hocke oder nicht Hocke?
Die Leute fragen mich oft, ob sie sich zu mir herunterknien oder in die Hocke gehen sollen, wenn sie mich treffen. Das ist natürlich sehr individuell, wie jeder Rollstuhlfahrer das handhabt. Aber meist ziehe ich es vor, zu den Leuten nach oben zu schauen, zumindest bis zu einer Größe von 1,85 Meter. Denn spätestens nach fünf Minuten werden sie unruhig, wenn sie in der Hocke sitzen, weil ihnen die Knie einschlafen. So kann man kein vernünftiges Gespräch führen. Ich bitte die Leute sehr oft, sich einen Stuhl zu besorgen oder mit mir in einen Bereich zu gehen, wo man sitzen kann. Ich saß schon oft umringt von stehenden Leuten in der Mitte eines Raumes und habe mich mit jemandem, der neben mir auf dem Stuhl saß, unterhalten. Mann muss es einfach machen.
Was mich allerdings echt nervt ist, wenn es etwas zu essen gibt und das an Stehtischen. Das ist mir erst vor Kurzem auf einer Konferenz passiert. Zur Abendveranstaltung in einem großen Ballsaal eines Fünf-Sterne-Hotels gab es ein riesiges Buffet – aber leider nur Stehtische. Ich kam in den Saal rein und mir war klar, wenn ich das nicht sofort anspreche, wird das kein schöner Abend für mich werden. Ich hätte auf dem Schoß essen und mein Glas auf den Boden stellen müssen. Alleine. Während die anderen sich an Stehtischen unterhielten.
Also bin ich zu dem Bankettchef hin und fragte ihn, wo ich denn essen solle. Allgemeine Ratlosigkeit machte sich in den Gesichtern breit, aber dann holten mehrere Kellner einen runden niedrigen Tisch. Sogar einen Kerzenständer bekam „mein“ Tisch wie alle anderen Tische auch. Da ich nicht alleine essen wollte, fragte ich noch nach ein paar Stühlen. Auch die wurden gebracht. Und es überraschte mich nicht, dass sich der Tisch schnell füllte. Wer will schon gerne im Stehen essen, wenn er sitzen kann?
Ja, natürlich nervt das manchmal, fragen zu müssen, weil andere Leute nicht mitgedacht haben. Aber andererseits ändert sich ja nie etwas, wenn man als Rollstuhlfahrer einfach wegbleibt. Der Bankettchef des Hotels denkt jetzt vielleicht anders über sein Stehtisch-Konzept als vorher. Und jeder Eventmanager, der für mich Stühle tragen musste, weiß nun, dass eine gute Party nur eine ist, bei der man sich auch mal irgendwo hinsetzen kann.