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Wenn sich Arbeit nicht lohnt

 

Wenn Raul Krauthausen am Monatsende auf sein Konto schaut, macht es kaum einen Unterschied, ob er viel oder wenig gearbeitet hat, und das obwohl er Selbstständiger ist. Denn für ihn sind 700 Euro plus Miete das Maximum, das er verdienen kann.

Raul ist Rollstuhlfahrer und auf Assistenz angewiesen. Er braucht Assistenten, die ihm morgens und abends beim Anziehen helfen, im Bad oder beim Kochen. Die Kosten hierfür trägt das Sozialamt, aber nur wenn Raul nicht mehr als 700 Euro plus Miete verdient. Liegt sein Einkommen darüber, muss er selbst für einen großen Teil seiner Assistenzkosten aufkommen beziehungsweise dem Sozialamt seine Assistenzkosten erstatten.

Assistenzleistungen sind in Deutschland an die Sozialhilfe gekoppelt und die wiederum ist eine einkommensabhängige Leistung. Und nicht nur das: Auch Sparen darf Raul nicht, denn bei 2.600 Euro ist Schluss. Auch dann hält das Sozialamt wieder die Hand auf. Das bedeutet für ihn und alle anderen behinderten Menschen, die Assistenz brauchen, das sie auch nicht fürs Alter vorsorgen, auf ein Auto sparen oder sich ein Haus kaufen können. Und es kommt noch schlimmer: Sind behinderte Assistenznehmer in einer Partnerschaft, wird auch das Einkommen des Partners bei der Berechnung einbezogen.

Raul ist kein Einzelfall. Auch Catharina Wesemüller in Hamburg ist von der Gesetzeslage betroffen. Sie arbeitet in der freien Wirtschaft, hat BWL studiert und trotzdem lohnt sich die Leistung, die sie täglich erbringt, für sie finanziell nicht, denn auch sie ist auf Assistenz angewiesen und das Amt hält sofort die Hand auf. Da die Miete auf den Freibetrag angerechnet wird, wollte man sie sogar auffordern, eine günstigere Wohnung zu suchen nachdem sie aus einer WG ausgezogen war. Jeder, der in Hamburg schon mal eine barrierefreie Wohnung gesucht hat, weiß, wie schwierig das ist. Der NDR hat über den Fall berichtet.

In einigen europäischen Ländern sind Assistenzaufwendungen für behinderte Menschen aus der Sozialhilfe rausgenommen. Zu arbeiten lohnt sich dort auch für die Menschen, die einen hohen Assistenzbedarf haben. Schweden ist eines der bekanntesten Beispiele. Das Einkommen der Partner wird in einigen Ländern gar nicht berücksichtigt.

Zu Inklusion gehört auch, dass Leistung von behinderten Menschen anerkannt und entsprechend entlohnt wird. Viele Gesetze und Regeln, die derzeit für Assistenznehmer gelten, sind zu Zeiten entstanden, in denen niemand davon ausging, dass Menschen mit hohem Assistenzbedarf überhaupt arbeiten und eine Familie gründen wollen. Behinderten Menschen die Altersvorsorge und ein normales Familienleben mit einem durchschnittlichen Einkommen vorzuenthalten, ist genau das Gegenteil von dem, was die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die Deutschland ratifiziert hat, zum Ziel hat. Wer Inklusion will, muss auch behinderten Menschen zugestehen, mehr als ein paar hundert Euro im Monat zu verdienen. Mit der jetzigen Regelung können sie unter Umständen nicht einmal den beschlossenen Mindestlohn nach Hause tragen, ohne dass ihnen das Sozialamt einen Teil davon wieder wegnimmt.