Den Beginn meiner Liebe zum Fliegen verdanke ich der Deutschen Bahn. Als ich nach dem Abitur von Hessen nach Hamburg zog, um zur Uni zu gehen, fuhr ich öfter mit der Bahn und fand es furchtbar. Wer, wie ich, Rollstuhlfahrerin ist und in den ICE oder in andere Züge einsteigen will, die Stufen haben, muss sich 24 Stunden vorher bei der Bahn anmelden, wenn er Assistenz haben möchte. Mitarbeiter der Bahn kommen dann mit einem Hublift, der vor die Zugeingangstür geschoben wird. So kommt man dann barrierefrei in den Zug.
Nach der x-ten schlechten Erfahrung mit diesem Service – von unfreundlichen Mitarbeitern bis Mitarbeitern, die gar nicht erschienen – entschloss ich mir von meinem Studentenbudget irgendwann einmal ein Flugticket von Frankfurt nach Hamburg zu kaufen, anstatt die Bahn zu nutzen und war begeistert. Zwar nicht vom Vorgang für Rollstuhlfahrer, um ins Flugzeug zu kommen, aber von der Freundlichkeit des Personals. Außerdem liebe ich das Fliegen überhaupt. Ich kann an Bord super entspannen und ich habe die besten Ideen über den Wolken. Ich würde am liebsten jeden meiner Texte im Flieger schreiben.
Fairerweise muss man aber sagen, dass sich der Service der Bahn unterdessen gebessert hat, von ein paar Ausnahmen abgesehen.
EU-Richtlinie
Auch das Fliegen ist nicht perfekt, aber es hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls massiv verbessert. Für behinderte Fluggäste begann 2008 eine neue Ära. Denn dann trat die EU-Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 für Fluggäste mit eingeschränkter Mobilität in Kraft. Diese gewährleistet behinderten Fluggästen umfassende Rechte gegenüber den Fluggesellschaften und den Flughäfen. Die EU-Verordnung schreibt vor, dass niemand aufgrund von Behinderung oder eingeschränkter Mobilität bei Flugreisen diskriminiert werden darf. Luftfahrtunternehmen können behinderten Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität die Beförderung nur aufgrund klar definierter Sicherheitsgründe verweigern. Behinderte Menschen haben Anspruch darauf, zu den selben Bedingungen reisen zu können wie nicht in ihrer Mobilität eingeschränkte Passagiere. Dazu zählt zum Beispiel das Recht auf unentgeltliche Hilfeleistungen am Flughafen und an Bord sowie die unentgeltliche Beförderung von bis zu zwei Hilfsmitteln. Und das alles gilt für alle Flüge, die an einem EU-Flughafen starten oder enden.
Mit der EU-Richtlinie wurde auch endlich die Finanzierung der Assistenz an den Flughäfen klar geregelt. Viele Flughäfen schrieben die Assistenzleistungen neu aus, Personal wurde an vielen Flughäfen aufgestockt, neu organisiert und geschult. Behinderte Menschen wurden endlich zu Reisenden mit Rechten gegenüber der Fluggesellschaft und den Flughäfen statt zu Bittstellern, die jedes Mal bangen mussten, ob man sie mitnimmt.
Es gibt auch ein klar geregeltes Beschwerdeverfahren. In Frankreich beispielsweise wurde die Fluggesellschaft easyJet mehrfach zur einer Strafzahlung wegen Diskriminierung verurteilt, weil sie behinderten Passagieren die Beförderung verweigert hatte.
Problem ist das Einsteigen
Ich weiß, dass ich meine Liebe zum Fliegen nicht mit vielen anderen Rollstuhlfahrern teile. Haupthindernis beim Einsteigen ist, dass man seinen Rollstuhl abgeben muss. Dafür setzt man sich auf einen kleinen, schmalen Bordrollstuhl um und wird dann vom Assistenzdienst des Flughafens ins Flugzeug gebracht.
Der Rollstuhl kommt in den Bauch des Flugzeugs und ich hoffe jedes Mal inständig, dass der Rollstuhl heil am Zielort ankommt. Zwei Mal war das bislang nicht der Fall. Der Rollstuhl hatte in beiden Fällen einen ordentlichen Schlag auf die Hinterräder bekommen. Vermutlich war ein Container verrutscht oder ein schweres Gepäckstück darauf gefallen. Einmal hatte ich einen Achter im Rad selbst, ein anderes Mal war die Steckachse des Rades total verbogen. In beiden Fällen war ich zum Glück in Städten, in denen ich den Rollstuhl schnell reparieren lassen konnte. Ein Alptraum wäre, wenn der Rollstuhl gar nicht ankommen würde.
Aber auch das häufige Umsetzen vom Rollstuhl auf den Bordrollstuhl und von dort auf den Flugzeugsitz ist für viele behinderte Reisende ein Problem. Es wird wohl in absehbarer Zeit nicht möglich sein, in seinem eigenen Rollstuhl zu fliegen, was die Ideallösung wäre, aber dennoch wird an Alternativen zum jetzigen System gearbeitet. Das hier ist eine Idee:
Fliegen für behinderte Passagiere barrierefreier zu machen, ist definitiv eine Herausforderung, der sich vor allem die Fluggesellschaften stellen müssen. Dazu gehört natürlich nicht zuletzt, die EU-Verordnung einzuhalten. Aber am Ende werden auch Ingenieure gefragt sein, um intelligentere Lösungen zu schaffen als die derzeit vorhandenen.