Es ist fast genau sechs Jahre her: Am 26. März 2009 trat die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland in Kraft. Die UN-Konvention ist ein internationaler Vertrag, in dem sich die Staaten verpflichten, die Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.
Genau sechs Jahre später, am 26. und 27. März, wird ein Fachausschuss der Vereinten Nationen in Genf überprüfen, ob Deutschland die Verpflichtungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention korrekt umgesetzt hat und welche Fortschritte bei der Umsetzung der Menschenrechte seitdem erreicht wurden.
Parallelbericht
Dabei sein wird auch das Institut für Menschenrechte mit seiner Monitoring-Stelle. Im Vorfeld hatte die Monitoring-Stelle beim zuständigen UN-Fachausschuss ihren Parallelbericht zum Umsetzungsstand der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland eingereicht. Das kürzlich veröffentlichte Dokument greift 24 Problembereiche auf, denen der Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen aus Sicht der Monitoring-Stelle besondere Aufmerksamkeit widmen sollte.
Der Bericht fällt insgesamt recht ernüchternd aus: So stellt er fest, dass die Vorgaben der UN-Konvention „noch nicht hinreichend in der Lebenswirklichkeit der Menschen mit Behinderungen angekommen sind“.
Wirkungslos
In vielen Bereichen bleibe Bedeutung und Tragweite der Konvention rechtlich und praktisch wirkungslos, heißt es weiter. Der menschenrechtliche Ansatz fehle beispielsweise bei der Entwicklung von Regierungsprogrammen, in gesetzgeberischen Maßnahmen sowie in Verwaltungs- und Gerichtsentscheidungen.
Außerdem stellt der Bericht fest, dass führende Stellen im Bund sowie bei den Ländern vielfach dafür eintreten, besondere Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen unverändert beizubehalten, was in einzelnen Sektoren, etwa bei Bildung, Wohnen und Arbeit, flächendeckend die Aufrechterhaltung von Doppelstrukturen bedeute. Solche Doppelstrukturen bergen ihrerseits die Gefahr von Ausgrenzung und Benachteiligung, warnt der Bericht.
Die meisten behinderten Menschen wird dieses harsche Urteil kaum überraschen, denn wo es bei der Umsetzung noch hapert, kann man tagtäglich erleben, wenn man mal wieder vor unnötigen Stufen steht, die Untertitel im Fernsehen fehlen oder die schulische Inklusion auf der Strecke bleibt.
Weder verinnerlicht noch umgesetzt
Zwar hat Deutschland die UN-Konvention unterzeichnet, aber in vielen Bereichen scheint es fast so, als habe man das, was man da unterzeichnet habe, weder verinnerlicht noch umgesetzt. So sehe zum Beispiel die Lebenswirklichkeit in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich aus, stellt der Bericht fest. Das macht sich nicht zuletzt beim Thema schulische Inklusion bemerkbar, da für die Schulen die Länder verantwortlich sind.
Vor allem in der Politik sei der Geist der UN-Behindertenrechtskonvention in großen Teilen noch nicht angekommen, heißt es weiter. Es fehle an einem Verständnis für die Forderung nach mehr Selbstbestimmung und gleichberechtigter Teilhabe. „Der damit verbundene echte Strukturwandel steht noch aus“, heißt es in dem Bericht. Oder anders gesagt: Es gibt noch viel zu tun, bis die UN-Konvention in Deutschland im Alltag spürbar wird.