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Und es geht doch

 

Der Name Henri ging vor rund einem Jahr durch alle Medien: Der Fall des Jungen löste damals eine Diskussion über die schulische Inklusion in Deutschland aus. Der 12-Jährige aus Baden-Württemberg darf nun doch auf eine Regelschule an seinem Wohnort gehen. Die Schule hatte den Jungen mit Down-Syndrom noch vor einem Jahr abgelehnt.

Nach den Sommerferien wird er eine inklusive Klasse an einer Realschule in Walldorf besuchen. Seine Mutter hatte unerbittlich für schulische Inklusion ihres Sohnes gekämpft, trat unter anderem in der Talkshow von Günther Jauch auf. Sowohl das Gymnasium als auch die Realschule lehnten Henri ab, der weiterhin mit seinen Klassenkameraden aus der Grundschule zur Schule gehen wollte. Da es keine Lösung gab, ließen die Eltern ihren Sohn einfach die vierte Schulklasse wiederholen und gewannen dadurch ein Jahr Zeit, um weitere Gespräche zu führen und mit Schulen und Kultusministerium eine Lösung zu suchen. Außerdem gibt es in Baden-Württemberg seit kurzem ein Gesetz, das es behinderten Kindern ermöglicht, auch Regelschulen besuchen zu können. Das Land setzt damit die UN-Behindertenrechtskonvention um, die Deutschland 2009 ratifiziert hat und die die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am gesellschaftlichen Leben zum Ziel hat.

Inklusive Schulklasse

Unterdessen hat das Kultusministerium mit Eltern und der Realschule eine Lösung gefunden, die Henri und anderen behinderten Kindern gerecht wird. Die Schule erhält Sonderpädagogen und kann so eine inklusive Schulklasse einrichten.

Viele ähnliche Fälle

Der Fall Henri steht eigentlich exemplarisch für viele ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland, bei denen Eltern für die inklusive Beschulung ihrer behinderten Kinder kämpfen. Nicht, weil sie kein Recht darauf hätten, sondern weil Deutschland gerade erst anfängt, seine Aussonderungspolitik in den Schulen zu beenden und viele Schulen und Lehrer einfach überfordert sind und vielfach auch die Vorstellungskraft fehlt, wie der Besuch der Schule für diese Kinder funktionieren kann.

Wer niemals mit behinderten Menschen zu tun hatte und individuelle Lösungen finden musste, tut sich auch mit schulischer Inklusion schwer. Es ist quasi ein Kreislauf. Was man nicht kennt, wird abgelehnt oder als nicht machbar eingestuft. Damit bleibt die Aussonderung bestehen. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, braucht es neue Konzepte, mehr Personal und vor allem einen Willen, Inklusion erreichen zu wollen.

Inklusion wird normal

Ich bin für künftige Fälle dennoch recht optimistisch. In zehn Jahren wird man auf den Fall zurückblicken und sich irritiert fragen, was eigentlich genau das Problem war, einen Jungen mit Down-Syndrom auf die örtliche Schule zu schicken. Es wird dann normal sein. So wie es in anderen Ländern bereits heute normal ist, behinderte Kinder auf Regelschulen zu schicken.

Allerdings wurden in Skandinavien, in Großbritannien oder Italien – um mal nur ein paar Beispiele zu nennen – die Voraussetzungen dafür schon vor Jahrzehnten geschaffen. Deutschland fängt damit gerade erst an. Mehr Sozialpädagogen, Schulhelfer und Assistenten sind genau der richtige Weg. Schulische Inklusion als Sparmodell wird sicher nicht funktionieren. Und ein Recht auf Inklusion alleine reicht nicht. Man muss eben auch die Voraussetzungen dafür schaffen. Nur dann profitieren wirklich alle davon.