Berge und Barrierefreiheit passen oft leider nicht so gut zusammen. Aber die österreichische Stadt Graz zeigt, wie das trotzdem geht. Graz hat ziemlich viel im Bereich Barrierefreiheit erreicht und so kommt man sogar auf den Schloßberg – per Bergbahn oder per Fahrstuhl im Berg ganz barrierefrei.
In 30 Sekunden auf den Berg
Graz ist mit rund 270.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Österreichs und zugleich Landeshauptstadt der Steiermark. Die Altstadt und das Schloß Eggenberg stehen auf der Welterbeliste der UNESCO.
Ich war bereits zwei Mal in Graz – einmal beruflich und zuletzt privat. Schon beim ersten Besuch vor zehn Jahren fiel mir auf, dass man das Thema Barrierefreiheit auf dem Plan hat. Ich hatte damals nur einen halben Tag Zeit, aber kam problemlos vom Hotel auf den Schloßberg. Damals nutzte ich die Bergbahn. Als ich jetzt wieder dort war, nutzte ich den Fahrstuhl im Berg.
Mit einer 30 Sekunden langen Fahrt kann man die 260 Stufen nach oben umgehen und kommt so vom Grazer Altstadtkern zum Uhrturm, dem Wahrzeichen der Stadt an der Mur.
Von dort hat man einen wunderschönen Blick über die Stadt.
Leitsystem und Tastmodelle für Blinde
Aber auch für blinde Menschen ist Graz eine Reise wert: Die Stadt hat ein eigens für Graz entwickeltes Bodenleitsystem. In Zusammenarbeit mit blinden und sehbehinderten Menschen wurde in Graz das so genannte „Grazer T“ entwickelt. Es ist eine Weiterentwicklung eines schwedischen Leitsystems. Es gibt Rillen- und Noppenplatten, die leicht mit einem Blindenlangstock ertastet und unterschieden werden können.
An den wichtigsten Sehenswürdigkeiten gibt es zudem vor den Gebäuden tastbare Modelle der Gebäude. Das ist beispielsweise das Tastmodell vor dem Kunsthaus Graz.
Und das ist das Gebäude im Original:
Und hier das Tastmodell des Uhrturms:
Zudem sind fast die Hälfte der Kreuzungen und Straßenübergänge mit Ampeln in Graz mit akustischen Signalgebern ausgestattet. Auf Knopfdruck gibt die Ampel ein Geräusch ab, wenn es grün ist.
Online-Informationen für behinderte Besucher
Und auch online hat Graz ziemlich viel richtig gemacht. Man kann auf einen Blick sehen, wo man parken kann und wo es barrierefreie Toiletten gibt.
Auch barrierefreie Unterkünfte und Restaurants werden übersichtlich aufgelistet. Da gibt es beispielsweise das Café Insel. Wer schon immer mal auf eine vollverspiegelte Behindertentoilette über einem Fluss gehen wollte, ist hier richtig. Ich dachte, ich hätte im Bezug auf Behindertentoiletten weltweit alles gesehen – bis ich nach Graz kam.
Die Informationen, die Graz online anbietet, sind genau die Informationen, die man als behinderter Besucher haben möchte, wenn man in eine Stadt reist, die man überhaupt nicht kennt. Und zwar auf einen Blick und ohne viel Herumsucherei. Leider schaffen es noch nicht alle Städte und Tourismusregionen in Europa so etwas übersichtlich online anzubieten. Graz schon. Und das ist kein Zufall. Denn dort haben Menschen mit Behinderungen Ideen, Anregungen und beharrliche Initiativen für mehr Barrierefreiheit eingebracht, die heute Wirkung zeigen. So kann Graz heute mit Barrierefreiheit als Markenzeichen für den Städtetourismus werben. Andere Städte und Regionen, bitte nachmachen!