Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Missverständnis Behinderung

 

Auch schon mal die Augen geschlossen, weil man sich aufs Zuhören zu konzentrieren hat? Man wirkt dabei manchmal als sei man eingeschlafen, dabei möchte man sich lediglich auf nur einen Sinn konzentrieren, den Hörsinn, ohne abgelenkt zu werden. Aber einem britischen Abgeordneten wurde deswegen diese Woche unterstellt, er würde während der Parlamentsdebatte schlafen – und zwar von der BBC. Was die Journalisten nicht wussten, der Mann ist stark schwerhörig und versuchte nur, der Debatte zu folgen.

Die BBC sagt „Sorry“

Es kommt nicht so oft vor, dass die BBC sich entschuldigen muss, aber diese Woche musste sie es. Auf Twitter hatten Journalisten der Radiosendung Newsbeat dem konservativen Abgeordneten Alec Shelbrooke unterstellt, bei der Debatte im Parlament eingeschlafen zu sein. So wirkt das Bild jedenfalls, was auf Twitter verbreitet wurde. Wer aber das zweite Bild betrachtet, das etwas später aufgenommen wurde, ahnt, was der Abgeordnete da macht: Er hält sein Ohr an einen der Lautsprecher, die in der Bank eingelassen sind. Alec Shelbrooke ist stark schwerhörig. Um sich noch besser konzentrieren zu können, hatte er zeitweise die Augen geschlossen.

Von der Polizei erschossen

Diese und andere Missverständnisse sind keine Seltenheit. Es kommt öfter vor, dass Außenstehende die Behinderung eines Menschen völlig falsch interpretieren. Im vergangenen Jahr erschossen Polizisten in Florida einen gehörlosen Mann, weil dieser zu laut sprach. Manche gehörlose Menschen können die Lautstärke ihrer Stimme nicht kontrollieren, weil sie sich selbst nicht hören und reden dann oft zu leise oder zu laut.

Blindenstock mit Schwert verwechselt

In Großbritannien hat sich die Polizei in Lancashire gerade mit einem blinden Opfer außergerichtlich auf Schadenersatz geeinigt. Der Mann war von Polizisten von hinten in den Rücken getasert worden, weil diese seinen Blindenstock für ein Samuraischwert hielten. Bürger hatte die Polizei gerufen, weil sie einen Mann mit einem Samuraischwert auf der Straße sahen. Die Polizisten dachten, bei dem Mann handele es sich um den Mann mit dem Schwert und verpassten ihm eine gehörige Ladung Strom in den Rücken, legten ihm Handschellen an und nahmen ihn fest. Der richtige Mann mit dem Samuraischwert wurde später verhaftet.

Behindert nicht betrunken

Das Samuraischwert ist sicherlich ein ungewöhnlicher Fall. Was allerdings häufiger vorkommt ist, dass Menschen mit Behinderungen für betrunken gehalten werden, obwohl sie es gar nicht sind. Weil sie vielleicht nicht flüssig sprechen, weil sie beim Laufen schwanken oder sich sonst anders fortbewegen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Das bedeutet im Alltag, man verweigert ihnen, Alkohol zu kaufen (sie sind ja angeblich schon betrunken), man verweigert ihnen den Mitflug oder den Zutritt in eine Bar oder in ein Restaurant.

Das hat sicher damit zu tun, dass Alkohol mehr im Bewusstsein der Menschen ist als Behinderung. Man rechnet eher mit betrunkenen als mit behinderten Menschen. So wie die BBC wohl auch eher damit gerechnet hat, dass ein Abgeordneter schläft als seine Behinderung mittels Konzentrieren und gutem Zuhören zu kompensieren. Je mehr behinderte Menschen aber am gesellschaftlichen Leben teilhaben (können), desto mehr verbessert sich das Bewusstsein, dass es für ein bestimmtes Verhalten einen anderen Grund geben könnte als den, der einem als erstes einfällt.