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Ein bisschen mehr Gleichstellung für Behinderte

 

Das Bundeskabinett hat einen Entwurf zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsrechts beschlossen. Das derzeit geltende Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) verpflichtet Träger öffentlicher Gewalt, insbesondere Bundesbehörden, zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und zur Barrierefreiheit. Es enthält unter anderem Regelungen zur Herstellung von Barrierefreiheit in den Bereichen Bau und Verkehr, zum Recht auf Verwendung von Gebärdensprache und anderer Kommunikationshilfen sowie zur Gestaltung von Bescheiden und Vordrucken und zur barrierefreien Informationstechnik.

Problem Geltungsbereich

Das Problem: Es ist ein Gesetz, das in erster Linie die Bundesbehörden verpflichtet. Die Wirtschaft und andere Bereiche der Verwaltung aber nicht oder nur sehr eingeschränkt. Dabei stehen in dem Gesetz wirklich viele Rechte, die behinderten Menschen im Alltag helfen würden, wenn denn der Geltungsbereich des Gesetzes nicht so extrem eingeschränkt wäre. Wann hat man im Alltag mit einer Bundesbehörde zu tun? Ja, es kommt vor, aber nicht sehr häufig.

Behinderungsbegriff

Nun hat das Bundeskabinett Änderungen beschlossen, die das bestehende Gesetz verbessern sollen. Beispielsweise wird mit der Gesetzesänderung der Behinderungsbegriff an internationales Recht angepasst. In Deutschland wird Behinderung sehr als individuelles Problem und rein defizitorientiert betrachtet. Der neue Behinderungsbegriff ist anders. Er beschreibt Behinderung als das Ergebnis von Beeinträchtigungen in Wechselwirkung mit Barrieren, die umwelt- oder einstellungsbedingt sind, und rückt das Ziel der Teilhabe an den verschiedenen Lebensbereichen in den Vordergrund. Damit macht sich die UN-Behindertenrechtskonvention erstmals in einem deutschen Gesetz bemerkbar, denn auch dort wird Behinderung nicht als Defizit, sondern als gesellschaftsbedingt definiert.

Benachteiligungsverbot

Auch beim Benachteiligungsverbot gibt es Verbesserungen. Das BGG regelt bereits, dass Träger öffentlicher Gewalt Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligen dürfen. Entsprechend der UN-Behindertenrechtskonvention wird nun ergänzt, dass die Versagung angemessener Vorkehrungen für Menschen mit Behinderungen eine Benachteiligung im Sinne des Gesetzes ist. Das heißt konkret, dass Bundesbehörden auf die individuellen Bedürfnisse eines Einzelnen eingehen müssen, wenn dies behinderungsbedingt erforderlich ist. Ein Beispiel: Jemand hat einen Assistenzhund, dann darf er den mitbringen. Oder jemand braucht ein Dokument elektronisch, um es lesen zu können, dann muss die Behörde das bereitstellen.

Barrierefreiheit

Um endlich Barrierefreiheit zu erreichen, wird auch dieser Bereich des Gesetzes verbessert. Neubauten und größere Um- und Erweiterungsbauten des Bundes ab zwei Millionen Euro sollen bereits seit Inkrafttreten des BGG im Jahr 2002 barrierefrei gestaltet werden. Baumaßnahmen, die dieses Ausgabenvolumen nicht erreichen, sind davon bislang nicht erfasst. Künftig sollen auch kleinere Baumaßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit genutzt werden.

Leichte Sprache

Mit dem neuen Gesetz soll ferner die Leichte Sprache gestärkt werden, um auch Menschen mit Lernschwierigkeiten Zugang zu Informationen und Bescheiden zu geben. Leichte Sprache ist eine besonders leicht verständliche Sprache. Unter anderem sollen möglichst einfache Wörter verwendet werden. Sätze sollen kurz und einfach aufgebaut sein.

Fachstelle und Schlichtungsstelle

Außerdem wird eine Bundesfachstelle Barrierefreiheit geschaffen, die Behörden bei der Umsetzung von Barrierefreiheit berät und unterstützt. Zusätzlich wird eine Schlichtungsstelle eingerichtet. Dort können Schlichtungsverfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten nach dem BGG angestrengt werden. Wer der Ansicht ist, durch eine Bundesbehörde in einem Recht nach dem BGG verletzt zu sein, kann sich an diese Stelle wenden.

Die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Andrea Nahles (SPD), kündigte an, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen nachhaltig stärken und verbessern zu wollen.

Behindertenbeauftragte kritisiert Gesetz

Die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, hingegen kritisierte das reformierte Gesetz bei der Vorstellung. Das allein ist schon ein bemerkenswerter Vorgang.

„Es reicht nicht, Hindernisse zu dokumentieren. Wir müssen Barrieren beseitigen und brauchen verbindliche Umsetzungsfristen“, so Bentele. Der Entwurf bleibe deutlich hinter den Zielen zurück. Sie kritisierte, dass zwar Neubauten des Bundes barrierefrei sein müssten, nicht aber bestehende Gebäude. „Das ist zu wenig“, sagte sie. Stattdessen werde nur festgeschrieben, dass über die vorhandenen Barrieren berichtet wird.

Und das könnte nicht das einzige Gesetz sein, das Bentele in diesem Jahr kritisieren wird. Noch immer warten viele behinderte Menschen auf den Gesetzentwurf zum Teilhabegesetz. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung ihre Beauftragte nicht wieder enttäuscht.