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Behinderte Menschen als Warnhinweis

 

Um es vorweg zu sagen: Nein, ich bin keine Raucherin, der die Bilder auf Zigarettenpackungen lästig sind. Ich rauche nicht. Aber mich irritiert der Warnhinweis, der jetzt in ganz Europa auf Zigarettenpackungen auftaucht, dennoch: „Rauchen verursacht Schlaganfälle und Behinderungen“ ist dort seit Neuestem zu lesen. Dazu wird das Bild einer blassen, apathischen Frau im Rollstuhl gezeigt oder das Bild eines Mannes, der künstlich beatmet wird.

Österreich protestiert

Mit dieser Abschreckungskampagne setzen europäische Länder eine EU-Verordnung um. Aus Österreich regt sich dagegen jetzt allerdings Widerstand, den ich nachvollziehen kann. Der ÖVP-Sprecher für Menschen mit Behinderungen und Nationalratsabgeordnete Franz-Joseph Huainigg stört sich massiv daran, dass behinderte Menschen als Abschreckungsmotiv missbraucht werden. Huainigg hat selbst ein Beatmungsgerät und sitzt im Rollstuhl. Das allerdings schon seit seiner Kindheit und ganz ohne Tabakkonsum.

Und genau das ist das Problem der Kampagne: Offensichtlich hat sich in der EU niemand Gedanken darüber gemacht, was das für eine Wirkung auf behinderte Menschen hat, wenn sie benutzt werden, um Menschen vom Rauchen abzuhalten.

Diskriminierende Bilder

„Diese Sujets vermitteln ein klischeehaftes und negatives Bild von Behinderung, das ich als diskriminierend empfinde“, sagt Huainigg. Sie konterkarierten den normalen Umgang mit behinderten Menschen. Huainigg plädiert dafür, die diskriminierenden Bilder aus der aktuellen Kampagnenserie zu entfernen. Österreich werde bei der Europäischen Kommission darauf hinwirken, dass bei der künftigen Überarbeitung der Bilder und der Texte darauf geachtet wird, dass sie von behinderten Menschen nicht als Diskriminierung empfunden werden.

Behinderte in der Werbung = Abschreckung

Die Kampagne erinnert mich an eine Werbung aus meiner Schulzeit. Wir waren damals auf Klassenfahrt, als in einer Straße in der Nähe unserer Unterkunft ein Großplakat aufgehängt wurde, auf dem ein sympathisch aussehender Rollstuhlfahrer zu sehen war. Ich war erst ganz begeistert, dass endlich mit behinderten Menschen geworben wurde, bis ich näher kam und sah, was da beworben wurde. „Er hatte einen sitzen, jetzt kann er nie wieder aufstehen“, stand etwa sinngemäß unter dem Bild. Es forderte Autofahrer auf, nicht betrunken zu fahren. Ich war entsetzt. Denken die Menschen jetzt wohl alle, ich habe zu viel getrunken, wenn sie mich sehen? Und was sollte diese negative Darstellung von Rollstuhlfahrern? „Netter Kerl, aber leider im Rollstuhl“, war die Botschaft und ich war empört.

Nun ist es unstrittig, dass Rauchen nicht gerade gesundheitsfördernd und dass Alkohol am Steuer wirklich keine gute Idee ist, aber muss man solche Botschaften wirklich über behinderte Menschen transportieren? Ich kenne viele Menschen, die einen Schlaganfall hatten, aber nie geraucht haben. Und ich kenne zwar viele Querschnittgelähmte, die einen Unfall hatten, aber keiner davon ist betrunken Auto gefahren. Die meisten haben den Unfall nicht einmal selbst verursacht.

Hat sich mal irgendjemand der Gesundheitskampagnenerfinder überlegt, wie sich das eigentlich so anfühlt, wenn die eigene Lebenssituation als abschreckendes Beispiel genutzt wird? Nein? Dann kann ich es ihnen sagen: Es ist ziemlich ätzend.

Am meisten stört mich die Botschaft in beiden Warnungen: „Ein Leben mit Behinderung ist furchtbar! So möchtest du doch nicht leben, oder?“ Na danke liebe EU. Vielleicht hören ein paar mehr Menschen deshalb auf zu rauchen. Aber sehr viel mehr Menschen müssen tagtäglich dagegen ankämpfen, dass sich solche und ähnliche Botschaften in den Köpfen festsetzen. Sie führen zu Mitleid, Ausgrenzung und weniger Teilhabe. Denen erweist man mit der Kampagne einen Bärendienst.