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Studie zur Barrierefreiheit in deutschen Städten: München ist Spitzenreiter, Köln Schlusslicht

 

Welche deutsche Metropole ist die barrierefreieste Stadt Deutschlands? Wenn man der Umfrage des Marktforschungsinstituts Innofact im Auftrag der Aktion Mensch glaubt, ist es München. Frankfurt, Hamburg und Berlin belegen die Plätze zwei bis vier – Schlusslicht ist Köln.

Bewohner der fünf Metropolen sowie aus ganz Deutschland wurden aufgefordert, die Barrierefreiheit
ihrer Stadt zu bewerten. München liegt in der Gesamtbewertung über dem Bundesdurchschnitt. So bestätigen zum Beispiel 41 Prozent der Münchener, dass ihre Stadt viel für Menschen mit Behinderung macht. Zum Vergleich: In Köln stimmen dieser Aussage nur 22 Prozent zu. Die Aktion Mensch ließ für die repräsentative Studie 1.295 Personen zwischen 18 und 65 Jahren in Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main befragen sowie rund 1.000 weitere Bundesbürger in anderen Städten.

14 Prozent behinderte Befragte

„Aus der bundesweiten Stichprobe ergibt sich auch ein repräsentativer Anteil (14 Prozent) von Menschen mit Behinderungen“, so die Aktion Mensch in ihrer Pressemitteilung. Zur Vergleichbarkeit der Bewertung der Barrierefreiheit in deutschen Städten wurden in der Studie unter anderem die Zugänglichkeit von verschiedenen Orten und Einrichtungen, das städtische Engagement für Barrierefreiheit sowie die Einbindung von Menschen mit Behinderung in den Städten abgefragt. Das heißt, unter den 1.000 Befragten waren 140 Menschen mit Behinderungen. Das ist zwar repräsentativ, die Frage ist, wie sinnvoll das ist.

Wie viele nichtbehinderte Menschen können wirklich beurteilen, wie barrierefrei ihre Stadt ist? Ich behaupte, nicht wirklich viele. Ruft man beispielsweise in einem durchschnittlichen Restaurant an und fragt nach der Anzahl der Stufen am Eingang, heißt es fast immer, es gebe keine. Und fast immer gibt es welche. Für nichtbehinderte Menschen sind ein oder zwei Stufen keine Barriere. Dementsprechend nehmen sie diese auch nicht wahr. Sie empfinden also Restaurants oder andere Einrichtungen als barrierefrei, die gar nicht barrierefrei sind. Auf völlige Ahnungslosigkeit stößt man, wenn man nach einer barrierefreien Toilette fragt. Die meisten Menschen, die nicht darauf angewiesen sind, haben noch nie darauf geachtet, ob es in ihrem Lieblingscafé eine barrierefreie Toilette gibt. Wie sollen sie beurteilen, wie barrierefrei ihre Stadt ist?

Frankfurt? Nicht im Ernst!

Deshalb wundert mich das Ergebnis auch nicht. Während ich mich mit München als Gewinner noch arrangieren kann (ich persönlich hätte allerdings Berlin gewählt), ist Frankfurt auf Platz zwei wirklich ein Witz. In Frankfurt habe ich beruflich schon sehr viel Zeit verbracht und hatte unzählige Erlebnisse, die gegen die Stadt auf einem der vorderen Plätze sprechen.

Frankfurt ist für mich die Bundeshauptstadt defekter Aufzüge (wenn es überhaupt welche gibt!) und Gewinner beim chronischen Mangel an barrierefreien Hotelzimmern. Das Maß an Barrierefreiheit dieser Stadt lässt sich sehr schön an der Höhe der Stufe zwischen Bahnsteig und S-Bahn bemessen. Rollstuhlfahrer, die vom Frankfurter Flughafen die S-Bahn in die Stadt nehmen wollen oder wieder zurück, kommen ohne Hilfe nicht zurecht. Und jedes Mal spielen sich unglaubliche Szenen ab, wenn Leute ihre Koffer aus der S-Bahn wuchten. Ich habe schon Menschen aus der S-Bahn auf ihre Koffer fallen sehen.

Mich wundert, dass Berlin so schlecht abschneidet. Immerhin kann man in Berlin die öffentlichen Verkehrsmittel relativ gut nutzen, es gibt verhältnismäßig viele Restaurants und Cafés mit barrierefreien Toiletten und ein barrierefreies Hotelzimmer findet sich auch immer.

In diesem Sinne ist das vielleicht eine gut gemeinte Studie, aber die Aussagekraft ist wohl eher mäßig. Es befragt auch keiner Kinderlose, welche Stadt die schönsten Spielplätze hat.