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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – der zahnlose Tiger wird zehn

 

Neulich war ich auf einer Veranstaltung hier in London. Als ich ankam, gab es nur noch wenige Parkplätze, darunter einen Behindertenparkplatz. Ich steuerte den Behindertenparkplatz also zielstrebig an. Ich habe als Rollstuhlfahrerin einen Behindertenparkausweis und darf den Parkplatz natürlich nutzen.

Kaum hatte ich den Parkplatz erreicht, kam ein Sicherheitsmitarbeiter auf mich zu und sagte mir, ich könne dort nicht parken. „Ich bin Rollstuhlfahrerin“, erklärte ich ihm. Das beeindruckte ihn gar nicht, er sagte mir, dass er diesen Parkplatz für einen prominenten Gast freihalte. „Ob dieser Gast denn seit Neuestem behindert sei?“, fragte ich und versuchte es erst einmal mit Humor. Der Mitarbeiter hatte offensichtlich nicht den gleichen Humor wie ich und sagte: „Nein, natürlich nicht. Aber er ist VIP.“

Nicht prominent genug

Obwohl es noch andere Parkplätze gab, sie hätten mir nichts genutzt, weil ich an der Seite Platz brauche, um meinen Rollstuhl auszuladen und um ein- und auszusteigen. Genau deshalb sind Behindertenparkplätze ja so breit eingezeichnet. Diese ganzen Argumente versuchte ich dem Mitarbeiter zu erklären, aber es nutzte nichts. Irgendjemand hatte ihn angewiesen, diesen einen Parkplatz nur an den Promi freizugeben und ich war definitiv nicht prominent genug, um dort zu parken.

Nach 20 Minuten Diskussion wurde es mir zu bunt. Ich war weit und breit die Einzige, die diesen Parkplatz rechtmäßig nutzen durfte, aber ausgerechnet mir wurde das verweigert. Ich sagte ihm, ob er nicht wisse, dass er gegen den Equality Act 2010 verstoße. Das ist das britische Antidiskriminierungsgesetz. Das gibt es schon seit 1995 für behinderte Menschen, wurde aber 2010 umbenannt und ging in einem allgemeinen Antidiskriminierungsgesetz auf.

Abrakadabra

Und plötzlich bewegte sich etwas. Er funkte seinen Manager an, sagte, ich drohe mit dem Gesetz und er solle jetzt bitte selbst kommen, um die Angelegenheit zu klären. Der Manager kam, ich gab ihm kurz eine Einführung in britisches Antidiskriminierungsrecht: Sowohl staatliche als auch private Einrichtungen sind verpflichtet, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um behinderten Menschen die Teilhabe an einer Veranstaltung oder den Zugang ins Gebäude zu ermöglichen. Und als hätte ich „Abrakadabra“ gesagt, durfte ich nun endlich parken.

Auch Deutschland hat ein Antidiskriminierungsgetz. Es heißt Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das wird in dieser Woche zehn Jahre alt. Allerdings ist es im Vergleich zum britischen Recht ein zahnloser Tiger, auch wenn das die Bundesregierung anders sieht.

Zahnloser Tiger

Während man in Großbritannien in einem Fall wie in meinem locker Schadenersatzzahlungen im vierstelligen Bereich bekommt, sind es in Deutschland ein paar Hundert Euro oder es wird sich gleich auf einen Vergleich geeinigt. Selbst in Österreich steht im Fall einer Diskriminierung ein Schadenersatz von mindestens 1.000 Euro im Gesetz. Bei so einem geringen Streitwert wie das in Deutschland häufig der Fall ist, findet man nicht einmal einen Anwalt, denn Diskriminierungsfälle sind aufwendig, da reicht kein Standardbrief, bringen aber nicht viel ein.

Dementsprechend gibt es auch kaum Klagen. Und deshalb ist das Gesetz ziemlich unbekannt. Das heißt, nicht einmal die Betroffenen kennen ihre Rechte und wissen gar nicht, dass der Gesetzgeber sie bereits seit zehn Jahren vor Diskriminierung schützen will.

Beim Festakt zum zehnjährigen Jubiläum des AGG sagte der Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Heiko Maas: „In einer Gesellschaft, die immer vielfältiger wird, sichert nur die Gleichbehandlung den Zusammenhalt und den inneren Frieden. Das AGG hat mit dazu beigetragen, Deutschland weltoffen, modern und liberal zu machen. Die Bilanz nach zehn Jahren zeigt, dass das AGG wirkt. Und zwar ohne, dass die Horrorvisionen mancher Kritiker Wirklichkeit geworden sind.“

Ich teile diese Erfolgsmeldung zu dem Gesetz leider nicht. Gerade behinderten Menschen nutzt das Gesetz im Alltag aus den oben genannten Gründen wenig. Es gibt kein Verbandsklagerecht und überhaupt kein Bewusstsein für das Gesetz in der breiten Bevölkerung. Damit ist es in der Praxis relativ wirkungslos. Es wird höchste Zeit, dass Deutschland die Rechte von behinderten Menschen stärkt. Ein vierstelliger Mindestschadenersatz wäre schon mal ein guter Schritt und eine Aufklärungskampagne zum Gesetz, nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch im privaten Geschäftsverkehr, wäre schon mal ein guter Anfang.