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Untertitel sind kein Luxus

 

Behinderte Menschen sind noch immer von vielen Medienangeboten ausgeschlossen. Sie können nicht mitreden, wenn Freunde oder Kollegen über das Fernsehprogramm sprechen. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie der Medienanstalten und Aktion Mensch zur Barrierefreiheit. Die Studie untersuchte, wie intensiv Menschen mit Behinderungen Medien nutzen und welches Marktpotenzial barrierefreie Angebote haben.

Obwohl laut der Studie 92 Prozent aller Befragten das Fernsehen als Medium nutzen, stoßen sie noch immer auf viele Barrieren: 86 Prozent der gehörlosen und rund die Hälfte der blinden Nutzer gaben an, dass sie den Inhalten „gelegentlich“ bis „sehr oft“ nicht folgen können. Und die Mehrheit der Gehörlosen wünscht sich mehr Sendungen mit Untertiteln. Blinde Befragte hätten gerne mehr Audiodeskription, die beschreibt, was gerade im Bild zu sehen ist.

Dass 92 Prozent der befragten behinderten Menschen Fernsehen als Medium nutzen, ist nicht verwunderlich, auch wenn Angebote wie Netflix immer beliebter werden, nicht zuletzt wegen der Untertitel.

Untertitel enorm wichtig

Über 90 Prozent der Befragten halten Untertitel für das gesamte Fernsehangebot für wichtig, dies gilt besonders für ertaubte und gehörlose Befragte, die noch stärker auf Untertitel angewiesen sind als schwerhörige Befragte. Diese beiden Gruppen bewerten es höher als schwerhörige Befragte, wenn Dialoge möglichst ungekürzt wiedergegeben werden und die Sprecherrollen mit unterschiedlichen Farben dargestellt werden. Schwerhörige wiederum halten Untertitel mit zusätzlichen Erläuterungen über Geräusche und Musik für etwas wichtiger als ertaubte und gehörlose Befragte.

Dass Untertitel kein Luxus mehr sind, zeigen andere Länder: Denn wer in den USA oder Großbritannien den Fernseher anmacht, wird feststellen, dass dort bereits heute de facto 100 Prozent des Fernsehprogramms untertitelt wird – und zwar nicht nur bei den öffentlich-rechtlichen Sendern, sondern auch auf den Privatkanälen.

100 Prozent Untertitel

Die Forderung, grundsätzlich zu untertiteln, ist also bei Weitem nicht zu viel verlangt. Andere Länder können das auch und Untertitel werden keineswegs nur von gehörlosen Zuschauern genutzt, sondern auch von Ausländern, die die Sprache lernen. Auch am Flughafen, wo Fernsehgeräusche störend wären, laufen in Großbritannien oft Nachrichtensender mit Untertiteln, aber ohne Ton. Das ist kein Zufall: Man hat in diesen Ländern die Sender dazu verpflichtet, umfassend zu untertiteln und auch immer mehr Bildbeschreibungen anzubieten.

Und nicht nur das: Für blinde Fernsehnutzer wird in Großbritannien ein Fünftel des Programms der Hauptsender auf einem zweiten Tonkanal beschrieben. Das ist die bereits oben erwähnte Audiodeskription. Außerdem werden zusätzlich zu den Untertiteln rund fünf Prozent der BBC-Programme und ein Teil der privaten Programme in Britische Gebärdensprache übersetzt. Das betrifft vor allem Nachrichtensendungen und beliebte Serien, die im Nachtprogramm wiederholt werden. Aber auch im Kinderprogramm wird Gebärdensprache genutzt.

Manchmal braucht es solche Studien, damit auch der letzte Entscheidungsträger versteht, dass das keine Gefälligkeiten sind, sondern dass ohne Untertitel und Audiodeskription ganze Bevölkerungsgruppen von der Mediennutzung ausgeschlossen werden. Die Studie ist jetzt da. Jetzt fehlt nur noch die Umsetzung.