Liebe Fotoagenturen, Stockfoto-Anbieter, Werbeagenturen und Bildredaktionen, wir müssen reden. Ihr blamiert Euch und Eure Kunden zunehmend, und ich glaube, Ihr merkt es nicht einmal.
Die Themen Inklusion und Barrierefreiheit sind in aller Munde, Unternehmen entdecken endlich, dass auch behinderte Menschen zu ihrer Zielgruppe gehören, oder haben genau diese eine Zielgruppe.
Und dabei kommt Ihr ins Spiel: Denn all die Anzeigen und Artikel müssen schließlich mit passenden Bildern versehen werden. Genau, mit passenden Bildern. Passend heißt: Wenn ich einen Rollstuhlfahrer abbilde, dann sollte das ein Rollstuhlfahrer sein. Oder zumindest jemand, der als solcher durchgeht. Aber was macht Ihr? Ihr setzt reihenweise mehr oder weniger schöne Menschen in überaus hässliche Rollstühle und glaubt, das merkt sowieso keiner, dass die da eigentlich gar nicht rein gehören. Ich sage Euch, man merkt es, und es fängt an, mich zu nerven. Beispiele gefällig? Hier, hier und hier.
Wie man es nicht macht
Ich stelle mir Eure Vorgehensweise ungefähr so vor:
Mitarbeiter 1: „Du, wir haben da jetzt immer mehr Nachfragen nach Bildern von Rollstuhlfahrern. Da müssen wir mal nachlegen.“
Mitarbeiter 2: „Ja, wir können ja mal im benachbarten Krankenhaus fragen, ob die uns einen Rollstuhl leihen, und ich buche ein Modell und dann machen wir ein paar Aufnahmen.“
So geht das aber nicht. Denn dann ist genau das zu sehen, was derzeit in vielen Anzeigen, auf Plakaten und in Medien zu sehen ist: Ein hübscher Mensch in einem hässlichen Rollstuhl ist noch kein Rollstuhlfahrer, geschweige denn jemand, mit dem sich die Zielgruppe identifiziert, sondern es ist einfach ein hübscher Mensch in einem hässlichen Rollstuhl, der da offensichtlich gar nicht rein gehört.
Warum mich das so nervt? Weil ich mir veralbert vorkomme. Kein junger Mensch fährt in Ländern mit einem einigermaßen funktionierenden Gesundheitssystem wie in Deutschland Rollstühle, die aussehen, als hätten sie 20 Jahre in einem Krankenhauskeller gestanden. Junge Rollstuhlfahrer sitzen auch nicht in Rollstühlen mit übergroßen Armlehnen, wie sie in Altenheimen oft zu finden sind, und vor allem: Sie passen in ihren Rollstuhl. Auf den Werbefotos sind diese aber oft doppelt so breit, wie der, der drinsitzt, und die Rückenlehne ist auch viel zu lang.
Die Bilder wirken so, wie sich viele Menschen das Leben im Rollstuhl vorstellen: ungelenker Kasten, der einen behindert. Aber das ist schon lange nicht mehr so. Rollstühle werden individuell angepasst, zumindest bei jungen Leuten, sind wendig und leicht. Hört also auf, Rollstühle als Fortbewegungsmonster abzubilden.
Richtige Models finden
Besonders witzig wird es dann, wenn diese Fotos bei Anzeigen verwendet werden, die Freiheit und verbesserte Lebensqualität vermitteln sollen. Das hier ist mein Lieblingsfoto zu dem Thema, das gefühlt bei jeder dritten Werbung im Einsatz ist und mich jedes Mal den Kopf schütteln lässt. Freiheit? In so einer Klapperkiste? Sicher nicht.
Also, wie kann man dieses Trauerspiel bezüglich Fotos von Rollstuhlfahrern beenden? Ganz wichtig: Rollstuhl und Model müssen zusammenpassen. Das erreicht man im Zweifelsfall, indem man Models sucht, die sowieso schon im Rollstuhl sitzen. Da kann man sicher sein, dass der Rollstuhl zur Person passt und umgekehrt. In Krankenhäusern, Altenheimen und selbst in vielen Sanitätshäusern findet man die Rollstühle, die heute im Alltag von jungen Menschen genutzt werden, dagegen nicht. Aber ehrlich, so schwierig ist das auch nicht, fotogene Rollstuhlfahrer zu finden. Der nächste Rollstuhlbasketballverein dürfte schon mal eine gute Anlaufstelle sein.