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Rückwärts einsteigen

 

„Sie steigen bitte rückwärts ein“, sagte die Mitarbeiterin der Seilbahn zu meinem Bekannten Kirk. Kirk ist sehr groß. Ich dachte noch so bei mir, dass es ja wohl doch ein bisschen übertrieben ist, ihn rückwärts einsteigen zu lassen. So groß ist er dann doch nicht und die Seilbahnkabine war auch nicht gerade klein.

Dann kam unsere Gondel und die Mitarbeiterin wurde ungehaltener und sagte zu ihm: „Ich habe doch gesagt, Sie sollen mit dem Rollstuhl rückwärts einsteigen.“ Kirk nutzt keinen Rollstuhl. Ich sitze im Rollstuhl, aber mit mir sprach die Mitarbeiterin gar nicht. Abgesehen davon war ihre Anweisung völlig sinnlos. Ich konnte selbstständig einsteigen, da die Gondel völlig ebenerdig war.

Gondeleinstieg

Ich stieg vorwärts ein, denn ich will ja sehen, wo ich hinfahre. Kirk hatte mit diesem Einsteigevorgang gar nichts zu tun. Er stand einfach nur daneben, was die Mitarbeiterin sofort tadelte, wieso er mir denn nicht helfen würde. Die Antwort war einfach: Weil ich keine Hilfe brauchte.

Mit mir sprach sie kein Wort. Kirk wiederum ignorierte ihre Anweisungen. Er hatte viel früher begriffen, dass sie eigentlich mich meinte, aber die Anweisungen ihm mitteilte, weil sie offensichtlich nicht gelernt hatte, dass man auch mit behinderten Kunden selbst spricht und nicht mit deren Begleitperson. Ich lachte während der ganzen Gondelfahrt über diese Szene, weil ich so naiv war und die ganze Zeit davon ausging, es ginge um seine Körpergröße nicht um meinen Rollstuhl.

Auf Umwegen kommunizieren

Das Verhalten der Mitarbeiterin der Gondelbahn ist übrigens nicht ganz untypisch. Es kommt schon manchmal vor, dass Mitarbeiter von Serviceunternehmen, an Kassen oder in sonstigen Lebenslagen einfach mit meiner Begleitperson sprechen statt mit mir. Manchmal sprechen sie sogar mit dem Menschen hinter mir in der Schlange, weil sie grundsätzlich davon ausgehen, dass ich eine Begleitperson haben muss. Da entstehen dann manchmal sehr lustige Situationen, wenn ein wildfremder Mann irgendwas zu mir gefragt wird, was er gar nicht wissen kann.

Auch sehr amüsant sind Situationen, wenn ich an einer Kasse stehe und mein Wechselgeld nicht in meine Hände wandert, sondern dieses einfach meiner Begleitperson oder – noch besser – einer wildfremden Person hinter mir angeboten wird.

Unsicherheit

Woher kommt so ein Verhalten? Oft ist es einfach Unsicherheit. Weil man nicht weiß, dass man auch mit einer Rollstuhlfahrerin wie mir normal reden kann, setzt man auf Nummer Sicher und redet mit der nichtbehinderten Begleitperson (oder mit der Person, die man dafür hält).

Gegen diese Unsicherheit gibt es zwei sehr wirksame Mittel: Schulung der Mitarbeiter und Inklusion. Je mehr behinderte Menschen am ganz normalen Leben teilnehmen, Seilbahn fahren, einkaufen, ins Kino oder Theater gehen, desto normaler wird es, auch behinderte Kunden zu haben und eben auch mit ihnen zu reden. Deshalb nehmen Situationen wie die Seilbahnerfahrung und auch die anderen Situationen, in denen man lieber nicht mit mir spricht, tendenziell eher ab. Die Gesellschaft verändert sich. Immer mehr behinderte Menschen können teilhaben, weil beispielsweise Einrichtungen barrierefreier werden. Und mit dieser Teilhabe verändert sich auch die Einstellung derjenigen, die zuvor unsicher waren.