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Verkatert unter Sternen

 

Magnolien faszinieren den Liedermacher Jason Molina. Der Name seines aktuellen Projektes Magnolia Electric Co. spielt darauf an. Auch die Stücke auf dem Album „Fading Trails“ sind empfindliche Gewächse von zarter Blüte

Magnolia Electric Fading

Die Plattenhülle passt nicht. Eine barbusige junge Frau steht in einer milchig grau kolorierten Höhle und greift sich in den sparsam verhüllten Schritt. Wo sind die träumerischen Landschaftsaufnahmen geblieben? Die düsteren Zeichnungen, die jede Platte von Jason Molina zu einer Freude machten? Das Äußere von Fading Trails erinnert eher an ein frivoles R’n’B-Album als an die düsteren Lieder, die Molina seit mehr als zehn Jahren veröffentlicht.

Die meisten seiner Alben sind unter dem Pseudonym Songs: Ohia erschienen, seit 2003 nennt er sein Projekt Magnolia Electric Co. Dazu ein kurzer Ausflug in die Pflanzenkunde: die hawaiianische Zierpflanze ‚Ohi’a lehua und die gemeine Magnolie zählen zu der Gattung Magnoliaceae. Beide sind empfindliche Gewächse von zarter Blüte.

Früher war der Mann aus Ohio Gitarrist einer Heavy-Metal-Band, dann tauschte er die halbstarke Krachgitarre gegen eine halbakustische ein. Er entdeckte die Liedermacherei und arbeitete fürderhin zusammen mit den Großen des sogenannten Alternative Country, mit Will Oldham, Alasdair Roberts oder den Schotten von Arab Strap. Inzwischen hat er über 20 Platten herausgebracht.

Seine Lieder wären wie einsame Fahrten auf einem Heuwagen durch den mittleren Westen der USA, schrieb einmal die Chicago Tribune. Molina zeigt auf verkommene Häuser und Hillbilly-Kneipen und erzählt zartbittere Geschichten von Vorstadtliebe und Abschiednehmen. Und von Wölfen, ländlichen Vollmonden, Eulen und den Sternen. Molinas Stimme klingt stets leicht verkatert und schütter, sie lässt keinen Kitsch zu. Wenn sie laut wird, erinnert sie an Neil Young – mit einem hartnäckigen Schnupfen.

Die neun Stücke auf Fading Trails wurden in kleinen Studios und Wohnzimmern aufgenommen, das Album klingt weniger homogen als frühere. Das Anfangsstück Don’t Fade On Me ist ein eindringlicher Monolog an die verflossene Geliebte, unterlegt mit einem seichten Schunkelrhythmus. Das Stück Old Horizon ist spärliche Kammermusik, es besteht nur aus einem Klavier und Molinas tragischem Gesang. Zu Memphis Moon streichen Jazzbesen über die Trommelfelle, die beinahe tropischen Gitarren klingen wie deprimierte Beach Boys. Im Refrain von A Little At A Time kann man zuweilen Akkorde kraftvollen Südstaatenrocks hören. Und das abschließende Steady Now ist eine wunderbar spartanische Nashville-Nummer der lange Weg eines Wanderers, der die Geister in den Baumwipfeln beschwört.

Der Vielseitigkeit von Fading Trails könnte man stundenlang lauschen, wäre das Album nicht nach einer halben Stunde schon zu Ende.

„Fading Trails“ von Magnolia Electric Co. ist als LP und CD erschienen bei Secretly Canadian

Hören Sie hier „Lonesome Valley“

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