Lieber Leser,
Geschichten über die Arctic Monkeys sind mühsam zu lesen und noch mühsamer zu schreiben. Denn die Erfolge der Rockband aus Sheffield werden seit einem Jahr immer wieder durchgekaut. Daher vorweg: In diesem Text wird nicht über Web 2.0 geredet. Nicht über Internetdownloads. Nicht über Verkaufszahlen britischer Debütalben. Auch nicht über das Alter der Band. Und MySpace? Vergessen Sie’s! Falls Sie, lieber Leser, mehr über diese Themen wissen wollen, klicken Sie einfach hier. Oder hier. Dort dürften Sie fündig werden. Es wäre nett, würden sie danach hier weiterlesen. ––
Wieder da? Wie schön. Sie wollen jetzt sicher wissen, wie das neue Album Favourite Worst Nightmare klingt. Es beginnt stürmisch. Ein Trommelfeuer, der Bass schnarrt und die Gitarre klingt, als werde sie mit rostigen Nägeln gespielt. Brianstorm heißt das Lied. Der Sturm legt sich bald, Struktur kommt ins Lied, ein körniger Basslauf treibt es an. Aber die Stimme? Ein Verzerrer malträtiert den Yorkshire-Akzent des Sängers Alex Turner. Es rauscht und krächzt. Die Silben sind schwer zu verstehen. Aus „don’t“ wird „dun“, „something“ wäscht aus zu „summat“.
Ruppig geht es weiter. Kaum ein Lied ist länger als zweieinhalb Minuten. Ein kantiger Bass baut das Grundgerüst. Simple Muster spielt er, sie klingen nach gut abgehangenem Funk und ein bisschen nach Punk. Vier Lieder lang donnern die Arctic Monkeys furios, als hätten sie keine Lust mehr, über Disko-Plattenteller gescheucht zu werden. Und diese ständigen Rhythmuswechsel, dazu kann kein Mensch tanzen. Der Schlagzeuger soll Box-Unterricht genommen haben, damit seine haarsträubenden Wirbel ihn nicht aus der Puste bringen. Mit dem fünften Stück wird’s milder auf Favourite Worst Nightmare.
Ein tropischer Wind bläst durch Sheffield. Palmen wiegen sich zwischen Thatcher’schen Zweckbauten, lässige Gitarren kehren ein: Fluorescent Adolescent gerät zu einer schwelgenden Calypso-Nummer. Es folgt Only Ones Who Know, eine Ballade! Ein bisschen missglückt kräht der mehrstimmige Gesang, aber hat man so was erwartet? Und dass der rotzige Alex Turner plötzlich Sätze singt wie: „True romance can’t be achieved these days“? Nein, oder? Das wehmütige Do Me A Favour beschließt die Ruhephase. Es ist das schönste Lied des Albums. „Do me a favour and unbreak my nose“, fleht Turner und jetzt könnte die Platte zu Ende sein. Aber nein. Kurzes Luftholen, bevor der Verzerrer wieder zugeschaltet wird. Aufs Neue schrubben die Gitarren los. Schade.
In den schnellen Stücken fällt zuweilen auf, wie sehr sie sich ähneln – und wie sehr sie denen des vorigen Albums ähneln. Natürlich, sie sind besser aufgenommen. Der jugendliche Ungestüm von vormals klingt nun kalkuliert. Sie mühen sich nach einem zweiten „I Bet You Look Good On The Dancefloor“, doch es wirkt, als imitierten sie sich selbst. Und das in diesen jungen Jahren! Immerhin, der Mittelteil des Albums weckt Hoffnung. Und vielleicht ist ihr nächstes Album ja eines für lauschige Stunden? Ohne Wut und Rebellion. Das wär doch was.
„Favourite Worst Nightmare“ von den Arctic Monkeys ist erschienen bei Domino/Rough Trade
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