Verstehst du die Dinge, wird alles eins;
Falls nicht, fällt alles entzwei.
Verstehst du die Dinge nicht, wird alles eins;
Falls doch, fällt alles entzwei.
Diese Worte des Zen-Meisters Mumon Ekai (1183-1260) beschreiben die Vielschichtigkeit von Klang und Musik. Strebsamkeit allein hat niemals gute Musik gemacht, pure Erfüllung gerät zum Scheitern. Musik über Musik zu machen ist folglich sehr schwer, denn die Grenze zwischen eigenem Ausdruck und bloßem Zitat ist fließend.
Das Duo A&E macht auf seinem Album Oi! genau das: Musik über Musik. Wie geht das? Geht der Klang zum Ohr oder geht das Ohr zum Klang? Mumon sagt:
Wenn du mit deinen Ohren hörst,
kannst du es nicht begreifen.
Wenn du mit deinen Augen hörst,
kannst du es begreifen.”
Versuchen wir es.
Wir hören — Verzeihung — sehen eine liebliche Stimme. Ein Glockenklang umgarnt ihre Geschichte, die von der Liebe handelt. Der Vortrag erinnert an einen friedlichen Tag im Garten. Dazu spielt eine Jazzgitarre hektische Skalen, scheppernde Drum’n’Bass-Rhythmen irren durch den Raum und kommen bei keiner Tanzfläche an. Ein Keyboard beschallt die Szenerie vom Rand aus, Rhythmus Nummer 18. Hier tummeln sich Franzosen mit Baguettes unter den Armen und Blumenketten über den Schultern. Die Sonne strahlt, jeden Moment könnte es Regen geben. A&E sind realistisch und exotisch zugleich. Zu jeder Sekunde spielen sie mit Klischees, aber sie brechen ab, bevor es peinlich wird.
A&E sind der Brite Andrew Sharpley und die Japanerin Emiko Ota. Sie leben in Paris und haben viele gemeinsame Kinder. Oi! ist ihr drittes Album. Ota singt und spielt teure Perkussion-Instrumente und erlesene Trommeln. Sharpley bedient billige Keyboards und Sampler, seine Elektronik klingt lebendig, mehr nach Kapelle als nach Computer. A&E ist nicht sein einziges Projekt, mit Stock, Hausen & Walkman zerlegte er Hammondorgeln und Popstücke, mit Dummy Run erforscht er die Grenzen der Nervosität.
Auf den vorherigen Alben des Paares ging es elektronischer und punkiger zu. Wilde Schnippeleien reihten sich an Andeutungen im Sekundentakt. Das neue Album ist fast beschaulich. Früher haben sie viel geschrien, nun verfolgen sie ein anderes Konzept. Oi! ist um vier Minyo-Stücke herum aufgebaut, japanische Folklore, spannend und unberechenbar umgesetzt. Emiko Otas Stimme erzählt und bringt Ruhe und Langsamkeit. Andrew Sharpleys Elektronik rödelt dazu, sie bildet einen Gegenpol.
Die Verbindung von Folklore und Elektronik funktioniert erstaunlich gut. Die Mischung der Stile ist subtil und collagenhaft, nie ist sie persiflierend oder albern. Oi! ist nicht nur für Zen-Meister interessant.
„Oi!“ von A&E ist als Digipak-CD erschienen bei Sonig
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