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McGyver spielt den Löwenzahn

 
Obskure Instrumente und Effektgeräte, Jaro Salos Kochkünste und das finnische Radio haben geholfen: „Spare Time Machine“ von Pepe Deluxé klingt psychedelisch und richtig alt.

Pepe Deluxe Spare Time Machine

Jari Salo alias James Spektrum ist das Zentrum der Band Pepe Deluxé. Über die aktuelle Besetzung sagt er: „Ich bin so eine Art Regisseur, der die 20, 30 Musiker, die auf dem Album zu hören sind, leitet.“ Bislang stand der Name Pepe Deluxé für wilde Tanz- und Lounge-Orgien, die sich unzähliger Quellen und Samples bedienten. Im Fokus des neuen Albums Spare Time Machine stehen die späten Sechziger und der Psychedelic-Rock.

Viele der Psychedelic-Alben aus den sechziger Jahren klingen heute angestaubt. Das liegt wohl an der grobschlächtigen Technik damaliger Tage. Bandmaschinen und raumgroße Synthesizer beförderten nicht gerade das feinsinnige Arbeiten. All die durchgedrehten Effekte und seltsamen Instrumentenkombinationen, die auf diesen uralten Alben zu hören sind, werden von Pepe Deluxé nun verdichtet und in delirische Höhen transformiert.

Jari Salo liebt diese Ära und ihren Sound. Er benutzt das alte, analoge Equipment. Je obskurer, desto besser. Jari ist besonders stolz auf ein Sechs-Spur-Mischpult, gebaut vom finnischen Radio für die Olympischen Spiele in Helsinki im Jahr 1952. Das Unikat befindet sich seit Kurzem in seinem Besitz. Spare Time Machine nahm er auf Vier-Spur-Kassetten auf, es klingt authentisch nach den Sechzigern. Vier Jahre hat er an dem Album gearbeitet, immer mehr obskure Ausstattung herangekarrt, unterschiedliche Musiker zu Sessions eingeladen und sie bekocht. „Es gab Musiker, die sagten: Ich mag die Musik nicht, aber das Essen ist hervorragend“, erzählt er. Die in diesen Sessions entstandenen Aufnahmen hat er in liebevoller Kleinarbeit zusammengelötet.

Viele Bands vermählen alte Strukturen mit einem zu glatten Klang. Jari Salos Musik klingt alt, er lässt die Klänge und Effekte von damals auf eine neue Art kollidieren. Er lässt seine Musiker jammen wie Jimi Hendrix seine Experience, verwendet dann aber nur die Instrumentalteile, die er gesamplet hätte, gäbe es die Musik bereits auf Platte. All das richtungslose Geeiere experimenteller Pop-Platten, seitenfüllende Stücke, endlose Gitarrensoli, haben bei ihm keine Chance. Er nimmt nur die gelungenen Experimente.

Auf Pussy Cat Rock gibt es die fetten Tom-Toms der Girl-Group-Mini-Dramen, zischende Hi-Hats, wie wir sie von Garagen-Bands kennen, dazu eine psychedelisch bratzende Orgel und eine Fuzz-Gitarre, die sich ein Duell mit einer Surf-Gitarre liefert. Das klingt nicht überladen, weil Jari Salo die Elemente in den Dienst des Stücks stellt. „Am Ende des Tages hört man Platten nicht wegen der Effekte, sondern wegen der Songs“, sagt Jari. Apple Thief beginnt mit einer Spieldosen-Melodie, schwingt sich mit einem melodiösen Bass, Steel-Gitarre und Vintage-Synthesizer-Klängen zu einem veritablen Pop-Song auf. Dazwischen gibt es noch eine improvisiert wirkende Passage für Violine. Das heißt: Was wie eine Violine klingt, ist in Wirklichkeit ein beschleunigter Standbass. Der Irrsinn mündet in einem epischen Streicher-Arrangement von Markus Schneider. Der hat in einem früheren Leben Musik für C-64-Spiele komponiert. Spare Time Machine ist voller solcher Details. Viele Klänge haben eine andere Quelle, als man im ersten Moment glaubt.

Der verrückteste Sound in Jari Salos Ohren ist das Wah-Wah-mäßige Geräusch, das sein Gitarrist McGyver – „der heißt so, weil er alles spielen kann“ – in Captain Carter’s Fathoms einem Löwenzahn entlockt. „McGyver playing the dandelion. Natürlich habe ich diesen Sound noch durch einen Synthie gefiltert“, erzählt er. Natürlich.

„Spare Time Machine“ von Pepe Deluxé ist als LP und CD erschienen bei Catskills/Groove Attack

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