Pauline Boudry und Linda Wölfel kommen aus Berlin. Sie nennen sich Rhythm King And Her Friends und wühlen im Fundus des Vergangenen. Wie vielen Bands aus dem feministisch-lesbischen Umfeld – man denke an Le Tigre oder Chicks on Speed – ist ihnen der Post-Punk wichtig.
In dessen Ära Anfang der achtziger Jahre eroberten Frauen die Bühnen und Aufnahmestudios, sie wollten endlich mehr als den dekorativen Platz am Mikrofon. Sie stellten männliche Mythen der Rockmusik in Frage, das verschwitzte Pochen auf Authentizität mochten sie nicht. Im Post-Punk ging es um das Entlarven der Konstruiertheit vermeintlicher Tatsachen, um das Aufbrechen von geschlechtsspezifischen und ethnischen Rollenzuschreibungen und die Kritik an der Konsumgesellschaft. Die Jungs-Band Orange Juice kultivierte auf Fotos und in Interviews ihre Schüchternheit und Verletzlichkeit. Frauen kombinierten Kleinmädchenkleider mit klobigen Stiefeln und kleideten sich so nachlässig, wie ihre männlichen Kollegen es schon immer taten. Sie experimentierten mit ihrer Musik und ihren Rollen. Post-Punk war nie ein Stil, sondern eine Explosion von Stilen. Das macht bis heute seine Faszination aus.
Viele fruchtbare aktuelle Anschlüsse an diese Ära kommen nicht von ungefähr aus feministischen Zusammenhängen. Das liegt auch am Ernst ihres Anliegens. Viele der männlich dominierten Retrobands wärmen lediglich einen alten Sound auf, abgekoppelt von seiner Bedeutung. Sie fügen der Musik nichts Neues hinzu, sondern nehmen ihr etwas – die Aussage, die Dringlichkeit, die Offenheit.
Bei Rhythm King And Her Friends ist das anders, sie rekonstruieren nicht einfach nur. Sie kombinieren auf ihrem zweiten Album The Front of Luxury gegensätzliche Klänge und transportieren so Bedeutungen. No Picture of the Hero ist ein Popsong, der Eingängiges gegen Kantiges setzt. Der elektronische Rhythmus poltert nervös, die Gitarre ist in einem Moment schroff wie bei Gang of Four und im nächsten beseelt wie bei Orange Juice. Die Scratches und der eingängige Refrain erinnern an eine zeitgenössische Frauenband, Luscious Jackson.
Rhythm King And Her Friends jagen nicht dem Zeitgemäßen hinterher, ihr Umgang mit Elektronik ist gelassen und lustbetont. Wie Le Tigre und Chicks on Speed bemühen sie ihre Synthesizer und Sampler nur, wenn sie die wirklich brauchen – und dann gern polternd und verzerrt.
Dass es hier um mehr als die Musik geht, signalisieren die parolenhaften Texte. Beim zweiten Hören verlieren sie ihre Eindeutigkeit. Im Titelstück singen sie: „We are the front of luxury / we can invent a new story / we want more desires / working like a factory“. Man kommt ins Grübeln: Ist das nun affirmativ oder widerständig?
„The Front Of Luxury“ von Rhythm King And Her Friends ist erschienen bei Kitty Yo/Cargo
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