Am Hamburger Hafen steht der legendäre Golden Pudel Club. Nun bringt die Mannschaft schräge Coverversionen heraus. „Pudel Produkte 8“ ist Hanseatenironie im Konzentrat
Mit Booty zum Fischessen in Hassans Imbiss. Wie es sich auf St. Pauli gehört, haben wir bald Gesellschaft. Anton möchte wissen, wer wir sind, was wir tun und welche Schallplatten sich in unseren bunten Tüten verstecken. Er, tut er nach und nach kund, sei Musiker und Zuhälter.
„Ach, cool, du bist DJ. Wo legst du denn auf?“
„Im Pudel.“
„Im Pudel! Ja, Wahnsinn! Wie heißt du denn?“
„Booty.“
„Wow, Booty. Cooler Name.“
Jede wichtige Information kritzelt Anton ungelenk in sein kleines rotes Notizbuch: Baltimore von Nina Simone, Silver Apples, Pudel, Buti.
„Wann legst du denn auf? Dann komm‘ ich mit meiner Perle mal vorbei. Kannste mich auf die Gästeliste setzen?“
„Mittwoch. Und klar kann ich dich auf die Liste setzen. Kostet aber eh nur zwei Euro.“
„Nee, dann lass mal, das wär‘ mir ja peinlich.“
Abgang Anton.
Der Hamburger Golden Pudel Club „ist ein ultramoderner Zeitgeistladen, der jeden noch so winzigen Trend aufspürt, um ihn dann zu zerstören. Alles ist erlaubt, sonst wird es von uns verboten“, sagte Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen einmal. Er gründete den Club Ende der Achtziger gemeinsam mit Kaiser Walter und Rocko Schamoni, einem der Telefonisten von Studio Braun. Auf seiner Internetseite nennt sich der Pudel „die Elbphilharmonie der Herzen“. Hier treffen die Brennenden auf die Abgerissenen, die Angesagten auf die Abgedrifteten. Anton und seine Perle würden kaum auffallen.
Seit ein paar Jahren und in unregelmäßigen Abständen bringen die güldenen Vierbeiner kleine Kompilationen auf Vinyl raus, die Golden Pudel Produkte. Vier, fünf elektronische Kleinode sind dann jeweils zu hören, eingespielt von Freunden, Gästen, Genies und Durchgedrehten. Zuletzt pressten die Hamburger einige Remixe von Jamie Lidells Little Bit Of Feel Good und erzählten der Welt, sie hätten nichts damit zu tun, jemand habe die Stücke von einem Server geklaut und illegal veröffentlicht. Das war kluge Werbung, viele kauften ihnen die Geschichte – und die Platte – ab.
Nun gehen die Pudel Produkte in die achte Runde, Coverversionen drehen diesmal auf dem Teller. Nachgespielt würden „die Düsseldorfer Hodenpopel“, der „Anus Mundi des deutschen Humors“, „NDW-Clowns“ und „Fleischfürze“, sagt das Infoblatt. Wie bitte?
Klartext: Der Hamburger Künstler Thomas Baldischwyler nimmt sich Hier kommt Alex von den Toten Hosen zur Brust und entledigt es des Großmäuligen. Punk raus, Groove rein, die Dekonstruktion des unseligen Deutschpunks der späten Achtziger tat schon lange Not. Und wie frappant: Längst roboten der bemitleidenswerte Campino und seine adrett schlechtfrisierten Buben wie der besungene Alex. Lakonisch rezitiert Baldischwyler die Hosen’sche Dystopie, dazu dröppelt und zonkt es minimalistisch, „Uargh“, Schnipp, „Öö-Öö“. Scherben klirren und am Ende erklingt sogar eine Blockflöte. Puh, ganz schön grob.
Und grob gehen auch die anderen Interpreten zuwerke. Es ist eine Freude! Sämtliche Pudelisten zerlegen die Originale mit der Motorsäge in handliche Teile, drehen sie durch einen stumpfen Fleischwolf, modellieren die blutige Matsche zu expressionistischen Miniaturen und backen sie im Römertopf gut durch. Otto Waalkes‘ Dupschek etwa wird in den Händen des Sterne-Keyboarders Richard von der Schulenburg zu einem dampfenden Stück Dada-House. Und Felix Kubin fährt gemeinsam mit Otto von Schirach in zweieinhalb Minuten Renate von Der Plan an die Gummiwand.
Und dann passiert der größte Dampfer, den man im Hamburger Hafen je bestaunen konnte, den Fischmarkt: Trööööt – „Kläre den Verstand auf, Zebras überqueren die Straße. Ich sage: Kaufe Gefrierkost, leg sie in den Kühlschrank, dreh die Musik auf, lauter.“ Und so weiter und so fort. Zu den hymnischen Rhythmen von Raf & Superdefekt übersetzt Schorsch Kamerun die hübschesten Zeilen des Prollravers Scooter ins Deutsche. Die Schauspielerin Irm Hermann versuchte diesem ja einst beizukommen mit einer übertrieben ernsthaften Rezitation seiner Texte. Kamerun hingegen schreit, schreit, schreit – hysterisch wie ein deutscher Beastie Boy – und schlägt Scooter auf seinem eigenen Feld. Er winkt den „Schwirrern dieser Welt“ verschmitzt zu, ob der hymnischen Begleitklänge dürften diese sich wohl nur von Kameruns durchdringender Stimme gestört fühlen. Und die macht den Unterschied, ist sie doch Säge, Fleischwolf und Römertopf in einem.
Sicher, auf Dauer kann einem diese Hamburger Ironie auf den Keks gehen. Aber über die Dauer dieser vier Stücke trägt sie. Das kann sich Anton ruhig mal in sein rotes Büchlein schreiben.
„Pudel Produkte 8“ ist erschienen bei Nobistor/Kompakt und nur auf Vinyl erhältlich.
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