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Nennen wir es HAL-Funk

 

Harmonic 313 ist nur eines von vielen Synonymen des Australiers Mark Pritchard. Auf „When Machines Exceed Human Intelligence“ erkundet er die unendlichen Weiten zwischen Dubstep, Detroit und C64

Cover

 
Harmonic 313 – Word Problems
 
Von dem Album: When Machines Exceed Human Intelligence Warp Records (2009)

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Kreuzte man Stanley Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum mit der Diskoschmonzette Saturday Night Fever, käme wahrscheinlich Blade Runner 2009 heraus – und die Musik dazu spielten Harmonic 313. Nennen wir sie HAL-Funk, nach dem eigenwilligen Rechner an Bord der Raumkapsel in Kubricks Film.

Harmonic 313 ist ein weiterer Eintrag in die lange Liste falscher Namen und Synonyme des Australiers Mark Pritchard. Noch kürzlich nannte er sich Harmonic 33 und schuf mit seinem Instrumentalalbum Music For Film, Television And Radio Volume 1 ein esoterisch-skurriles Highlight des Jahres 2005. Davor hieß er sich N.Y. Connection, Roberto Edwardo Turner, Troubleman, William Parrot … Mittlerweile schreibt man das Jahr 2009 und die Musik der Sperrstunde in Großbritannien ist der Dubstep: bassbetonte Tanzmusik, die im düsteren Hallraum scheinbar grenzenlos wird. When Machines Exceed Human Intelligence nennt Pritchard sein erstes Album als Harmonic 313.

Er hat sich die britische Clubmusik von Benga, Skream, Burial und anderen genau angehört – und macht sich seinen Reim darauf. Das Grenzüberschreitende des Dubstep greift er auf, das Enge und Dunkle lässt er links liegen. So wissen etwa das martialische Bassmonster Dirtbox und der Endzeitfunk Cyclotron um die Geschichte, sind aber mit drolligen Roboterstimmen und C64-Klängen angereichert. In der Miniatur Music Substitute System mahnt Pritchard, Musik sei ein Teil der Vergangenheit, also solle man sein Musikersatzsystem herunterladen. Es garantiere die Freiheit der Musik – und ist damit also wohl die letzte Möglichkeit, mit Musik überhaupt Geld zu verdienen.

Anderes verweist weniger auf aktuelle Rhythmen, als vielmehr auf Pritchards vielgestaltige Vergangenheit. Das entspannte Stück Köln ist nicht weit vom Ambient seiner frühen Musikertage entfernt. Musik besitzt ihre eigene Seele, und der werden schon im folgenden Galang-a so verquere Rhythmen und Melodien beigebracht, dass der Hörer staunend innehält und sich zehn Jahre zurückversetzt fühlt. Um dann bei Word Problems die zeitliche Orientierung vollkommen zu verlieren. Eine synthetische Stimme spielt einen Buchstabierwettbewerb, „H-A-R-M-O-N-I-C-3-1-3“ und „D-E-T-R-O-I-T“ (die Geburtsstadt des Techno hat übrigens die Vorwahl 0313). Dazu erklingt eine Melange aus HipHop, Elektro und frühem House, deren Repetition sich gerne in den Gehörgängen niederlässt.

Jene behände Vermischung aus Zeitabschnitten der elektronischen Musikproduktion, modernen Sichtweisen und Eigenständigkeit ist eine der Stärken von When Machines Exceed Human Intelligence. Einerseits verdeutlicht sie die Verwurzelung heutiger Stile in der Geschichte. Andererseits zeigt etwa das Aufeinanderfolgen des düsteren Call To Arms – das trotz freundlicher Unterstützung diverser Synthesizer aus dem Fundus Jean-Michel Jarres erfrischend klingt – und der Acid-Nummer Flaash, welche Entwicklung die elektronische Musik in den letzten 20 Jahren genommen hat.

Beim Endspurt stimmt der Gastsänger Steve Spacek mit ein: In Falling Away wird eine berührende und trotz elektronischer Stimmverfremdung umwerfend menschliche Stimmung erzeugt, es ist einer der Höhepunkte des Albums. Da verlieren die titelgebenden Intelligenzbestien den Schrecken, und man erinnert sich daran, dass Maschinen auch nicht klüger sein können, als die Menschen, die sie mit Informationen füttern.

„When Machines Exceed Human Intelligence“ von Harmonic 313 ist auf CD und Doppel-LP bei Warp/Rough Trade erschienen.

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