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Affen sprechen von Stolz

 

Turbostaat aus Flensburg machen Punk zu Pop. Verwerflich? Malcolm McLaren hätte es sich genauso vorgestellt.

© Erik Weiss

Schon seltsam, dass die neue CD der Punkrocker Turbostaat ausgerechnet jetzt erscheint, da die Punk-Ikone Malcolm McLaren das Zeitliche gesegnet hat. Er hätte der Band so gut beispringen können, den Neidern und Nörglern mit seiner ausgesprochen britischen Unfreundlichkeit den Wind aus den Segeln nehmen. Turbostaat hätten es verdient.

Das Island Manöver heißt ihre neue Scheibe, es ist ihre vierte. Ihre zweite beim Medienkonzern Warner Music. „AUS-VER-KAUF!“, mag man da schreien – und das taten auch nicht wenige, als vor zwei Jahren die etwas schwache Platte Vormann Leiss erschien. Punks im Stall der Kapitalisten? Pfui! Aber hatten die Rufer den Punk – jedenfalls den von Malcolm McLaren erfundenen – nicht gründlich missverstanden?

McLaren ging es weniger um das Ethos der Außenseiter, das der Punk heute oft feiert (oder gar eine nachhaltig antikapitalistische Einstellung), als vielmehr um die künstlerisch wie finanziell einträgliche Provokation. Die Platten der Sex Pistols erschienen erst bei EMI, dann bei Virgin, in den USA bei Warner. Warum im Verborgenen wursteln, wenn sich das Produzierte doch so hervorragend verkaufen lässt? Turbostaat haben das verstanden, Gewissensbisse hört man ihren Platten auch nicht an. Warum auch.

Sie wissen ziemlich gut, was sie tun. Schon der Titel der neuen Platte zeigt, wie simpel die Verwertungsmechanismen herauszufordern sind, denen sie sich mit dem Wechsel von der kleinen Plattenfirma Schiffen zu Warner vermeintlich ausgeliefert haben. Wem es egal ist, der schreibt vom Island Manöver; Pfiffige suchen auf der Tastatur das dänische ø und tippen Island Manøver – auf der Platte steht es anders, da geht der Strich durch das o von links oben nach rechts unten, auf der Tastatur gibt es diesen Buchstaben nicht.

Welche Nebensächlichkeit! Aber es sagt einiges über das schließlich doch dialektische Verhältnis von Einkaufen und Verkaufen im Pop – von Verwertung und Widerstand. Die einfache Gleichung Klein = Gut, Groß = Böse geht leider nicht auf. Das Island Manöver klingt nicht nach Kompromiss.

Aber haben Turbostaat den Punk nicht dennoch nur halb verstanden? Ja, maximale Streuung, Major Label, okay. Doch hat man sie schon so richtig die Sau rauslassen sehen? Wo bleiben die bösen Kommentare in Richtung Horst Köhler? Schlägereien? Saufgelage? Nichts, von dem man weiß. Was man weiß: Turbostaat kommen aus Flensburg. Da denkt man eher an Butterfahrt als an Sex und Drogen und Rock’n’Roll. Ihre Pressebilder sind brav. Sie posieren in einer Kirche, ohne entblößte Hinterteile, ohne blasphemische Provokationen. Und auch, wenn ihr Gitarrist sich doch tatsächlich Rotze nennt, erinnert bei Turbostaat doch nur die Musik an den Punk – und um die ging es Malcolm McLaren erstmal am wenigsten. Aber wir haben ja auch nicht mehr 1976.

Nun also Das Island Manöver. Da sind flinke Gitarren, echter Rock, ja, manchmal geht es wirklich punkig zur Sache, mit vielen schnellen Hieben auf das Becken. Zischeln und Wummern, der Sänger Jan Windmeier kämpft sich durch die Lieder, so soll das sein.

Natürlich waren die alten Platten besser. Schwan und Flamingo, rau und blechern, kräftig und – ja – rotzig. Heute beherrschen die Musiker ihre Instrumente besser, nehmen in besseren Studios auf. Wer weiß, vielleicht ist das ja der einzige Unterschied zu früher?

Nein, noch ein Unterschied: Früher verstand man noch manchmal, was sie wollten. Heute sind Turbostaat vollkommen kryptisch, das mag auch eine Reaktion auf den Labelwechsel sein. Wer ist bloß Glufke? Was ein Fünfwürstchengriff? Mancher Text klingt, als habe die Band eine Randnotiz der Regionalzeitung zum Spiel mit Assoziationen benutzt. Was bedeutet die etwa „Diese Affen sprechen von Stolz, mein Gott, was für ein Thema. Jeden Morgen wird dir erst schlecht, selbst bei mittlerem Seegang“? Immerhin verhindern die arg verschlüsselten Zeilen Plattitüden und schräge Metaphern. Es sind schöne Worte, die hier aneinandergereiht werden. Nach diesem Prinzip haben ja auch Phoenix eine wunderbare Platte aufgenommen.

Oft sind es auch schöne Akkorde. Die Strophen ziehen an, machen Tempo – die Refrains geraten ab und zu banal. Flott shuffelt sich Pennen bei Glufke voran – und versumpft schließlich im Deutschrock. Auch Urlaub auf Fuhferden legt vielversprechend los, gerade noch angenehm hymnisch. Und dann der Refrain, bamm bamm bamm bamm bamm bamm, „wenn der Sommer kommt, erwürg mich im Maisfeld…“, es hallt, als hätten U2 die Effektgeräte in Flensburg verloren.

Nein, das so zu betonen, ist ungerecht. Denn Das Island Manöver ist wirklich keine schlechte Platte. Manches Stück ist richtig gut, Strandgut etwa, auch das Titellied und Surt und Tyrann. Und selbst die Albernheit Fünfwürstchengriff geht unverschämt ins Ohr. Aber es ist eben auch eine Platte, von der so viele verkauft werden können, wie Warner Music wohl erwartet. Verwerflich oder nicht – früher war eben alles besser.


„Das Island Manöver“ von Turbostaat ist auf CD und LP erschienen bei Warner Music. Der Erstauflage der CD und der LP liegt eine DVD mit einem Konzert in Berlin bei, die zu erstehen sich durchaus lohnt.