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Rausgehen und zappeln

 

Eine sehr gelungene Folge der DJ-Kicks-Reihe: Kode9, der Londoner Urgroßvater des Dubstep, nimmt den Hörer mit in seine Privatdisko und zeigt ihm die Kunst des Plattenauflegens.

© !K7 Records

Gehorcht nicht auch das Musikgeschäft vor allem einem Prinzip, nämlich dem von Ebbe und Flut? Kaum ein paar Wochen ist es her, da wurde an dieser Stelle die These geäußert, der Dubstep habe sich weitgehend überlebt. Ein wütender Zwischenruf hallte durch das Blog: „Joy Orbison! Joy Orbison! Joy Orbison!“

Und nun scheint tatsächlich wieder Flut zu sein: Oliver Jones alias Skream spült dieser Tage ein neues Album ans Haff, und auch das rummsende Duo Digital Mystikz lässt die Tide beben. Allesamt sind sie Urväter des Genres. Und noch einer hält die Finger nicht länger still, Steve Goodman alias Kode9, der Urgroßvater des ganzen wilden Bassgewummers. Er gründete das Label Hyperdub und brachte den Dubstep mit den Alben und Maxis von Darkstar, Burial und The Bug und seinem eigenen Debüt Memories Of The Future erst so richtig zum Kochen.

Steve Goodman ist ein vielbeschäftigter Mann. Er lehrte an der University of East London, bringt ab und an mal eine neue 12- Inch-Scheibe raus. Zuletzt veröffentlichte er das Buch Sonic Warfare: Sound, Affect, and the Ecology of Fear, eine Abhandlung darüber, dass man Menschen mit Klängen auch quälen und zerstören kann. Verständlich also, dass ihm die Zeit für ein ganzes neues Album fehlte.

So nimmt er den Hörer im Auftrag von !K7 mit in seine Privatdisko zu einer Runde DJ-Kicks. Wo andere die Gelegenheit nutzen, weit auszuholen und wilde Safaris durch die obskuren Gegenden ihrer Plattensammlung zu veranstalten – Erlend Øye etwa und Four Tet – da führt Steve Goodman erstmal durch die eigenen vier Wände. Wir treffen viele alte Bekannte von Hyperdub, ab und zu lässt der DJ uns durchs Fenster auf die angrenzenden Hinterhöfe von Techno, House, Dancehall, UK Garage und Kwaito blicken. Steve Goodman weiß, was da draußen los ist, das hört man.

Behend mischt er alles zusammen, was im weitesten Sinne als IDM – Intelligent Dance Music – zu bezeichnen ist, verschleppt den ein oder anderen Beat, verzwirbelt mehr als 30 Stücke ineinander. Über die Zukunft des Dubstep erfährt man herzlich wenig – dafür aber einiges über seine Familie im speziellen und das Kunsthandwerk des Plattenauflegens im allgemeinen.

Am Ende einer guten Folge der DJ-Kicks verspürt man den unbändigen Wunsch, hinauszugehen und die Bässe zu fühlen, zu zappeln und schwoofen. Insofern, Steve Goodman, gelungen!

„DJ-Kicks“ von Kode9 ist erschienen bei !K7 Records/Alive.