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Tauchen nach einer Handvoll Hits

 

Dan Snaith alias Caribou macht Sommerhits für alle, die auch nachts eine Sonnenbrille tragen. Sein Album „Swim“ hat das, was Hot Chip zuletzt vermissen ließen.

© City Slang

Wer in diesen Tagen genug hat vom Regen und all dem Wasser, das von oben herunter kommt, der sollte vielleicht einfach mal wieder baden gehen. Nass sind wir doch ohnehin schon. Der Kanadier Dan Snaith alias Caribou hat die passende Musik zur psychedelischen Schwimmstunde, Swim heißt sein drittes Album. Es solle klingen wie aus Wasser gemacht, hat er in einigen Interviews gesagt. Also, hinein!

Rund 15 Musiker hat Snaith sich dafür ins Studio eingeladen, darunter Mitglieder von Four Tet, den Junior Boys und dem Sun Ra Arkestra. Schon deshalb klingt Caribous zweites Album Swim nie wie das Werk eines einsamen Tüftlers, sondern wie das eines ganzen Ensembles. Wie durch ein leuchtendes Kaleidoskop finden Snaith und seine Musiker immer wieder neue Formen. Das macht das Album abwechslungsreich und hält eine seltsame Spannung aufrecht, auch wenn die Lieder selten auf einen Höhepunkt zusteuern.

Dan Snaith, der promovierte Mathematiker, hat jedes Stück aus vielen Soundpartikeln zusammengesetzt, die immer wieder an die Oberfläche gelangen, um kurz darauf wieder abzutauchen. Swim, das Klangchamäleon, wechselt minütlich seine Farbe. Nahezu unüberschaubar sind die Stilrichtungen, die durch die Lautsprecher treiben. Disco, Krautrock, Free Jazz, House – alles verschmilzt zu einem Flirren.

Geräusche und Melodien wechseln geradezu im Sekundentakt, was der Platte bei aller Entspanntheit einen rastlosen Puls gibt. Alles bleibt im Fluss, gleitet ineinander über. Swim ist kein Sprung vom Beckenrand, sondern eine gleichmäßige Bewegung. Und der Beat sorgt dafür, dass es immer weiter vorwärts geht. Mal zwängt sich ein brüchiger Dubstep-Rhythmus in den Vordergrund, mal lässt Snaith Jazz-Trommeln auf satte Techno-Bässe und Klangkugeln treffen.

Bei all dem Gewaber, Gedengel und Gebimmel bleibt sogar noch Platz für eine Handvoll Hits: So klingt Leave House mit seinem unwiderstehlichen Groove wie der Tanzboden-Knaller, den man auf der letzten Hot-Chip-Platte vermisst hat. Auf der Single Odessa singt Dan Snaith über eine verführerische Geistermelodie, mit einer Kopfstimme, die jeden Arthur-Russell gewinnen würde. Sun mit seinem zirkulierenden Mantra ist sowieso der Sommerhit für alle, die auch nachts ihre Sonnenbrille nicht absetzen.

Wir könnten diese Platte also schon bald zu all den anderen Beschallungshilfen sortieren, die wir bei gutem Wetter auflegen. Aber dann beschleicht uns das Gefühl, dass uns dieses famose Album auch sicher durch den Herbst bringen wird. Beim zweiten Hinhören wittern wir hinter der sommerlich verstrahlten Stimmung düstere Untiefen. Dem Aufmerksamen werden Snaiths melancholische Geschichten über Trennungen und andere emotionale Unebenheiten nicht entgehen. „She’s tired of cryin and sick of his lies / She’s suffered him for far too many years of her life„, singt er in Odessa. Plötzlich erscheint Swim als großes Drama: „When he gets home, the house feels empty / From the bed, from the bedroom to the ground„. So klingt Clubmusik, wenn der Club geschlossen hat. Wie sagte schon Arthur Russell: „Let’s go swimming„.

„Swim“ von Caribou ist erschienen bei City Slang.