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New-Beat-Funk-House-Technoparty-Elektro

 

The Glimmers wollen nur spielen. Mit ihrer Technik und unseren Beinen. Ihr Disco-Sound ist seelenvolle, elektronische Bandarbeit.

© Gomma

Die Beschreibung von Popmusik gebärt oft die komplexesten Wortkaskaden. Auf dem Feld des Analogen sind da Speedcore-Doom-Metal-Funk oder Afro-Latin-Bossa-Nova-Jazz-Soul noch vergleichsweise kurzkettig. Richtig polytitular wird es erst im elektronischen Segment. Dem belgischen Duo The Glimmers etwa werden Siegel wie New-Beat-Funk-House-Technoparty-Elektro-New-Wave-Postdisco-Rockpop aufgebügelt, dass es auf keine Glitzerjacke mehr passen würde.

Doch hat das Wortungetüm durchaus seine Daseinsberechtigung. Denn das unablässig zuckende Klangkonvolut von Mo Becha und David Fouquaert ist auch auf dem neuen Album Whomp That Sucker! so schillernd, dass man mit einfachen Begriffen schlichtweg nicht weiterkäme. The Glimmers mixen sich durch die Gegenwartsmusik, wie es sonst bestenfalls das brillante Energiebündel Malente an den Plattentellern tut. Sie treiben ihre Mischungen mit permanentem Bass und hitzigen Vierviertelbeats zur frühen Kraft der Chemical Brothers, zeigen mit der Artenvielfalt ihres Musikzoos, dass sie nicht zu Unrecht eine Episode zur legendären DJ-Kicks-Reihe beisteuern durften. Dabei bleibt das große ganze Umwerfende vor allem Disco. In seiner reinsten Form.

Jenseits des allgegenwärtigen Deep House Sounds mit seiner bedeutungsschweren Vokalisierung, die allzu oft in aufdringliches Pathos mündet, wollen The Glimmers nur spielen. Mit ihrer Technik und unseren Beinen. Schon vor zehn Jahren war dies das Ziel der beiden Freunde. Damals veröffentlichten sie auf ihrem eigenem Label The Glimmer Twins – gottlob änderten sie ihren Namen, weil schon das Altrockerpärchen Richards/Jagger einst so hieß.

Alles an den Glimmers ist Groove, wenig davon kühle Berechnung, so scheint es. Schon U Rocked My World schafft es zum Auftakt der Platte, das Stilelement der Massenbespaßung – ein verheißungsvolles Anschwellen mit zwischenzeitlichem Spannungsabfall bis zur Extase aus dem Nichts – anhalten zu lassen, als dräue jede Sekunde ein neuer Höhepunkt. Der Titelsong des Albums wagt sogar eingespieltes Händeklatschen und are-you-ready-to-rumble-Einschübe. Ständig prasseln vielfach erprobte Samples vom Miami-Vice-Getrommel bis zum Captain-Future-Gefiepse auf die Flächen nieder. All das nur, um die Menge in Bewegung zu halten.

Wenn der Soul tatsächlich zurück ist im Techno, wie es Moritz von Uslar unlängst in seiner Clublandschaftsrundreise in der ZEIT konstatierte, setzen The Glimmers dieser Aufwärmung der Minimalhouse-Ära nichts als bedeutungsarme Bewegungsfreude entgegen. Und die größte Kunst dabei, das Überraschendste daran ebenso wie das Schwierigste: Nie klingt es wie jener digitale Aufguss, den House nur zu gern betreibt. Das hier ist kein seelenloses Pasticcio aus Funktionselementen, sondern echte elektronische Bandarbeit. The Glimmers sind Abenteurer ihres Genres, Diskjockeys, die mixen, um mitzutanzen, nicht für sich tanzen zu lassen. Egal, wie man das Ergebnis auch nennen mag.

„Whomp That Sucker!“ von The Glimmers ist erschienen bei Gomma/Groove Attack.