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Postapokalyptisches Brodeln

 

Das französische Superduo Daft Punk hat den Soundtrack zum Film „Tron: Legacy“ gemacht. Zwar ist er futuristisch geworden, aber leider kein Meisterwerk.

© EMI Music

Bisher hat die Mechatronik in der Popmusik eine Nebenrolle gespielt. Dabei gilt sie als hochkomplexe Disziplin: Mechatroniker sind wissenschaftliche Alleskönner. Die Mechatroniker der elektronischen Tanzmusik heißen Thomas Bangalter und Guy-Manuel de Homem-Christo. Als Daft Punk haben sie einige der besten House-Stücke überhaupt aufgenommen. Sie drehen eigene Filme, tauchen in Videospielen und Werbespots auf.

Nun komponieren Daft Punk auch noch Filmmusik für Hollywood. Das Disney-Studio hat die beiden Franzosen als Filmkomponisten für die Neuverfilmung des Achtziger-Jahre-Science-Fiction-Films Tron engagiert. Eine einleuchtenden und vielversprechende Entscheidung. Es gibt wohl nur wenige Popkünstler, denen es zuzutrauen wäre, die effektvollen Bilder von Tron: Legacy mit ebenso breitwandtauglicher Musik zu untermalen. Daft Punk und Science Fiction – das passt gut zusammen. Das Duo verzieht sich hinter Roboterhelmen und Keyboardpodesten. Ihre Bühnenshows wirkten in den vergangenen Jahren immer ein bisschen wie eine Inventur bei der Nasa.

Bereits zwei Monate vor dem deutschen Kinostart erscheint der Soundtrack zu Tron: Legacy. Fans von Daft Punk sind hocherfreut: Im Netz wird die Filmmusik wie ein lang erwartetes neues Album diskutiert. Viele Anhänger wollen überhaupt nur wegen der Musik ins Kino gehen. Das Video zur Single Derezzed und der offizielle Filmtrailer sind kaum voneinander zu unterscheiden. Für die Werbekampagne des ansonsten eher mittelmäßig besetzten Films sind Daft Punk ein Glücksfall.

Als Vorbild für Tron: Legacy dürfte vor allem die Musik des Sci-Fi-Filmklassikers Blade Runner von 1982 gedient haben. Viele gelungene Soundtracks eifern den melancholischen Synthie-Serenaden des griechischen Komponisten Vangelis nach. Prominente Techno-DJs beenden damit gern ihre Sets.

Vangelis benötigte nur wenige Mittel, um starke Bilder zu erzeugen; Daft Punk lassen das ganz große Besteck aufdecken. Dramatische Streicher, pompöse Bläserarrangements – allzu oft ist Tron: Legacy von einem gewöhnlichen Blockbuster-Soundtrack nicht zu unterscheiden. Das Orchester brodelt postapokalyptisch, während Daft Punks elektronische Eingriffe bisweilen für ein futuristisches Beben sorgen. Die Symbiose aus technoider Kühle und orchestralem Pathos gelingt in den 22 Stücken jedoch nur vereinzelt. Farblos bleiben die Bilder im Kopf. Überzeugen kann Tron: Legacy lediglich, wenn Daft Punk einfach nur wie Daft Punk klingen: im traurig-schwebenden Solar Sailer etwa oder im knalligen Techno-Wahnsinn von Derezzed. Der überwiegende Teil aber ist schlichtweg Füllmaterial, verwechselbar und überladen.

Mag sein, dass Daft Punks Filmmusik ihre Wirkung erst in Verbindung mit den Bildern von Regisseur Joseph Kosinski entfaltet. Ein guter Soundtrack sollte aber auch immer für sich stehen können. Diese Chance haben Daft Punk leichtfertig vertan, auch weil Tron: Legacy die Zugeständnisse an eine millionenschwere Hollywood-Produktion deutlich anzuhören sind.

„Tron: Legacy“ von Daft Punk ist bei EMI erschienen.