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Motor der Neuen Langsamkeit

 

Der 21-jährige Nicolas Jaar wird schon als neues Technowunder gelobt: Sein Album „Space Is Only Noise“ beweist konzeptionellen Mut und entschleunigt die Clubmusik.

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Die Langsamkeit in der Elektronik ist auf dem Siegeszug, und ganz vorn marschiert der junge Nicolas Jaar mit. Im vergangenen Jahr holte der Technokünstler Hendrik Weber alias Pantha du Prince die Romantik in die elektronische Musik. Nun gibt es die Songs des britischen Talents James Blake. Auch seine Stücke nehmen sich viel Zeit und Raum. Er scheint mit seiner Art des Songwritings die elektronische Musik in eine neue Richtung zu führen.

Der 21-jährige Amerikaner Nicolas Jaar ist ebenso Teil dieser Bewegung. Dass er zum nächsten Technowunderkind ausgerufen wird, klingt allzu konsequent. Gerade erschien sein Debütalbum mit dem bedeutsamen Titel Space Is Only Noise.

Der darauf zu hörende Song Keep Me There steht exemplarisch für die Neue Langsamkeit. Da ist eine einfache Melodie, gesummt von einer tiefen, fast gelangweilten Männerstimme. Nach und nach wird die Spur in verschiedenen Lagen vervielfacht, die nölende Melodie bleibt. Drei Minuten geht das so fort, ein ruhender Beat, hallendes Klicken und Schnippen kommen hinzu. Dann setzt, im Takt versetzt, ein hohes Saxofon ein. Gedoppelt und gesampelt fügt es sich in den Song und steigert ihn bis zum Ende in eine überbordende Vielstimmigkeit.

Das Stück lebt von der Antizipation des Hörers. Die Musik funktioniert ähnlich wie die Reiseliteratur eines Christian Kracht. Ihre Stärke liegt in dem, was nicht erzählt, nicht gehört wird, in den Leerstellen des Textes, im Freiraum, den die Musik dem Hörer lässt. Es wäre kaum überraschend, wenn dem Literaturwissenschaftsstudenten Nicolas Jaar ein ähnliches Konzept vorschwebte, während er an seinem Album arbeitete.

Der Plattentitel Space Is Only Noise steht darüber hinaus für eine konsequente Fortbildung seines künstlerischen Ausdrucks. Eine Abkehr von der Eingängigkeit, die beispielsweise auf seiner vorherigen EP The Student oder dem Clubhit A Time For Us noch durchschimmerte. Nun opfert Jaar die Tanzbarkeit einer Düsternis und Melancholie, die stets in den komplexen Strukturen der Songs mitschwingt. Triphop, Dubstep, Jazz, House – seine Musik ist im positiven Sinne alles und nichts.

„Space Is Only Noise“ von Nicolas Jaar ist erschienen bei Circus Company/Rough Trade.